Dachte dieser kurze Artikel von N.T.Wright würde auch einige von Euch vielleicht interessieren.
Dachte dieser kurze Artikel von N.T.Wright würde auch einige von Euch vielleicht interessieren.
Ach was für simple und doch herrliche Videos. Man spricht ja viel davon, dass jeder sich heute seine Religion selber auswählen muss. Doch wie sieht kann so etwas eigentlich aussehen, bitte schön:
Hier der zweite Teil (diesen auf keinen Fall verpassen):
Und dann noch zum Thema 'turn or burn':
Ich hatte das letzte Jahr die Freude und Ehre an der Planung und Konzeption eines ganz besonderen Studienganges mitzuarbeiten: das Aufbauprogramm, das zum Master in Gesellschaftstransformation (Master in Transformation Studies (MTh)) führt. Dieser qualifiziert für Aufgaben in den Praxisfeldern zwischen Gemeinde, Mission und Gesellschaft und umfasst theologische, sozialwissenschaftliche und missionarisch-diakonische Elemente. Er wird vom Marburger Bibelseminar in Kooperation mit der staatlichen Universität von Südafrika (UNISA) und der Gesellschaft für Bildung und Forschung in Europa (GBFE) angeboten.
Der erste Jahrgang geht bereits diesen Herbst los und ich werde an einigen Modulen als auswärtiger Dozent beteiligt sein. Wäre nett, wenn ihr diejenigen, die der Studiengang vielleicht interessieren könnte, darauf aufmerksam macht.
Fast hätte ich es vergessen. Habe letzten Sonntag über die Kommunikation des Evangeliums am Beispiel von Paulus in Athen gepredigt. Wer mag, kann es sich hier anhören.
Worauf ich auch vermisst habe rechtzeitig hinzuweisen. Wir haben eine neue Runde gemeinsames Bibellesen und Kommentieren gestartet - diesmal über zwei Jahre, so ist das Pensum gut verträglich. Jeder ist herzlich eingeladen mitzumachen, hat nun nur schon Anfang Februar angefangen. Ich bin auch dabei: Lese das AT in der Übersetzung von Martin Buber, die Evangelien in der Übersetzung von Walter Jens und den Rest des NT mit der Message. Diese 'fremden' Übersetzungen verschaffen mir einen neuen Blick und die nötige Distanz mich dem ganzen zu nähern - großes Kino!
Spannend: Der sehr bekannte 'postmoderne' Literaturprofessor Terry Eagleton hat ein Buch über Jesus geschrieben und weil dieser dabei recht gut wegkommt, ist die Intellektuellenszene empört. Die taz hat das Buch rezensiert und macht dabei folgende Feststellung:
"Die postmoderne Theorieproduktion, mit ihrem Faible für das Symbolische, Imaginäre und Zeichenhafte, hatte seit jeher eine gewisse Glaubensaffinität. Dass sich Gesellschaften als symbolische Ordnung konstituieren, Subjekte ihre Identität nicht auf rationale Weise ausbilden, dass das Ideologische nicht bloß ein Überbauphänomen ist, sondern die Welt zusammenhält, gehört heute oftmals zu den Grundgewissheiten von Cultural Studies, Ethnologie und Philosophie. Damit steht diese psychoanalytisch inspirierte Geisteswissenschaft in einem Spannungsverhältnis zu rationalem Pragmatismus und aufklärerischem Positivismus. Im Kontext eines solchen Denkens hat das Religiöse eine höhere Würde als ein szientistischer Naturalismus à la Dawkins."
Neulich gab es bei Spiegel-Online eine schöne Sammlung der hässlichsten Plattencover der Welt, dies hier fand ich mit am besten:
Nachdem wir mit Berger einen kurzen Blick auf die religiöse Lage der Welt und mit Casanova einen kurzen Blick auf die religiöse Lage in Europa geschaut haben, und dabei als Ergebnis die Säkularisierungsthese in ihrer klassischen Form abweisen mussten, bleibt die Frage: Wer sind wir heute? Wie sonst kann man die Lage der Religion in der westlichen, (post-)modernen Welt deuten und der bedeutende Wandel ihrer Rolle in den letzten Jahrhunderten?
Um diesen Fragen ein wenig nachzugehen, möchte ich mich an einige Thesen und Reflexionen des Theologen und Religionspädagogen Bernhard Dressler (aus diesem Buch) anlehnen und diese kurz darstellen.
Dressler zieht vor, statt von einem Bedeutungsverlust von einem Bedeutungswandel der Religion zu sprechen. Nach dem Ende der Säkularisierungstheorie sei in der Religionssoziologie Pluralität als das neues Paradigma aufgetaucht. Mit anderen Worten: Entscheidendes Kennzeichen der heutigen Situation sei das vielfältige Nebeneinander vieler Weltanschauungen und Religionen sowie der damit verbundene Zwang des Einzelnen sich für eine Weltanschauung frei entscheiden zu müssen. Dressler lehnt diese, von Peter L. Berger vertretene Sichtweise ab, weil er weder die Situation der Pluralität als das Signum der Moderne ansieht noch die These der freien Wahlentscheidung des Individuums so akzeptieren kann. Auch in Zeiten der Individualisierung würden Menschen über Gemeinschaften und Traditionen, die häufig sehr eng an ihre Herkunft gekoppelt sind, in spezifische Religionen hineinwachsen. Und statt der Pluralität sieht er die funktionale Ausdifferenzierung als Hauptkennzeichen der Moderne und als bleibendes Wahrheitsmoment am Säkularisierungstheorem.
Für die Nicht-Soziologen ein kleiner Exkurs: Funktionale Differenzierung ist ein Begriff aus der Systemtheorie. Es wird davon ausgegangen, dass sich Gesellschaften ähnlich der Evolution in der Biologie entwickeln und zunehmend komplexer werden.
„Es werden drei aufeinanderfolgende Typen von Gesellschaft angenommen:
Wichtigstes Ergebniss dieser funktionalen Differenzierung ist für Dressler die Pluralisierung und Nichthierachizität der Rationalitätsformen. Vereinfacht gesagt: Jedes Teilsystem hat seine eigene spezifische Logik und Weltsicht, keines kann sich jedoch als den anderen grundsätzlich überlegen betrachten. Dies aber bedeutet für die Religion, dass sie ihren Monopolanspruch auf die Weltinterpretation und auf die Normierung der Lebensgestaltung unwiderbringlich verliert.
Dies aber führt bei Menschen in funktional differenzierten Gesellschaften zu einer Bewegung der Reflexivität: Statt großen Erzählungen zu glauben, die das Weltganze verständlich machen wollen, bekommen die Menschen zunehmend ein Gespür für die Nichtverrechenbarkeit unterschiedlicher Rationalitätstypen. Statt von einer ihnen zugänglichen Zentralperspektive auszugehen, entwickelt sich ein topisches Denken in Perspektiven und Horizonten. Dieses Differenzbewußtsein sickert zunehmend in die Alltagskommunikationen und lässt einen neuen Denkstil entstehen, indem alle weltanschaulichen Konzepte immer schon reflexiv gebrochen, d.h. nur noch als Deutungen denkbar sind. Natürlich entstehen als Gegenbewegungen neue Einheitstrends, wie der fundamentalistische Szientismus eines Dawkins.
Gleichzeitig vollzieht sich ein Traditionsabbruch und eine Grundlagenkrise der modernen Kultur (vor allem durch ökologisches Krisenbewußtsein), in der säkulare Gewissheiten wegbrechen (die Überlegenheit der westlichen Gesellschaft, der Fortschrittsgedanke, die Wissenschaft als Garant der wirklichen Wirklichkeit, die Hoffnung auf weltliche Utopien).
Dadurch kommt es auch zu neuen Paradoxien. So ging mit der wissenschaftlichen ‚Entzauberung der Welt’ ein Machbarkeitsglaube einher, der mittlerweile selbst entzaubert wurde. Gleichzeitig ist die Dynamik, mit der sich die Welt zum Material technischer Machbarkeit wandelt (siehe aktuelle Gendebatte), ungebremst. Dies führt zur paradoxen Erfahrung, dass Welt und Leben zunehmen als gemacht erfahren werden (nichts ist mehr Schicksal), gleichzeitig aber ein geglücktes Leben und eine menschenfreundliche Welt dennoch nicht machbar scheinen.
In der Wiederkehr des Religiösen sieht Dressler auf diesem Hintergrund nicht nur eine kurzfristige Zeitmode, sondern vielmehr Symptom eines epochalen Wandels und einer tiefgreifenden kulturellen Krise. Wichtigstes vorläufiges Ergebnis sieht er darin, dass die Modernisierungsprozesse selbst reflexiv werden (Aufklärung der Aufklärung). In diesem Prozess kommt es zugleich zu einer Bewusstwerdung eines Mangels an Kultur zum Verhalten zum Unverfügbaren. Überall ist die Rehabilitierung von Erkenntnisweisen und Wirklichkeitsbereichen beobachtbar, die nicht durch funktionale oder zweckrationale Denkmuster zu erfassen sind. Allerdings bleiben diese bislang weitestgehend auf den Bereich privater Lebensdeutungen beschränkt und sind somit vielleicht ein reines Kompensationsphänomen.
Soweit einige sehr komprimierte Gedanken von Dressler. Ich finde sie enthalten einige wichtige Einsichten. Was das für die unterschiedliche Erfahrung von Generationen sowie was das für den christlichen Glauben bedeutet, dazu bald mehr. Zuerst einmal würden mich aber Eure Gedanken, Kommentare und Fragen (weitergehende wie Verständnisfragen) interessieren.
Jim Wallis, Autor von „Wer, wenn nicht wir. Streitbare Visionen für
eine gerechte Politik“
„Bill Hybels,
senior pastor of
And Rich Nathan, senior
pastor of the Vineyard Church of Columbus, Ohio, says that "there is a
spiritual awakening across
Und: “Adam Hamilton, pastor
of the
Soweit ein paar Auszüge aus einem Kurzartikel über das Buch bei Sojourners. Spannend, spannend!
Ehrlich gesagt hatte ich immer etwas Angst vor einer Erweckung, sollte sie
aber so aussehen: ich bin dabei. Es bleibt also zu hoffen, dass diese Stimmen Recht behalten und zudem auch die Evangelikalen in Deutschland aufwachen (weil
ohne Aufwachen keine Erweckung, äh andersrum, oder wie?) und das Evangelium von
seiner konservativen, privatisierten Form entwässert wird.
Also das Rätsel ist ja von Depone schnell gelöst worden, wobei der bestimmt geschummelt hat
;-) Es ist tatsächlich der gleiche Mann, der im Bild hier unten, an meinem Microsoft-Laptop sitzt, weil er beim Emergent-Forum, wie die anderen Mac-User auch, mit seinem Mac nicht ins Internet kam:
Brian McLaren.
Das ältere Bild ist übrigens von 1978, als Brian McLaren eine LP aufgenommen hat, die man sich hier kostenlos runterladen kann (ist wohl legal, Brian Mclaren hat selbst darauf verlinkt)
Endlich möchte ich meine Serie fortsetzen. Das letzte Mal ging es um einen Aufsatz des Religionssoziologen Peter L. Berger. Dieser versuchte die religiöse Lage der Welt zu skizzieren und anhand dieser zu zeigen, warum die meisten Religionssoziologen die Säkularisierungsthese aufgegeben haben. Nur zwei Ausnahmen lies er gelten: Europa und die weltweiten Bildungseliten.
Heute möchte ich daran anschließend ein paar Gedanken aus einem Aufsatz des Religionssoziologen José Casanova wiedergeben. In diesem versucht dieser einen Überblick über ‚Die religiöse Lage in Europa’ zu geben und zu schauen, ob sich die Säkularisierungsthese wenigstens für die Ausnahme Europa bei genauerem Blick bestätigt.
Ein erste These Casanovas ist, dass diese Lage äußerst komplex ist und man kaum eine einheitliche Lage darstellten kann.
Die mit Abstand atheististische Region Europas ist das
frühere ‚Ostdeutschland’, gefolgt von der Tschechischen Republik und den
skandinavischen Ländern. Springt man einmal über die Oder, ist man im anderen
Extrem angelangt: In Polen bezeichnen sich, wie in Irland und Portugal, ca. 90%
der Bewohner als ‚Gläubige’, in ‚Westdeutschland’ gilt dies immerhin für ca.
65%. Überhaupt repräsentieren ‚Westdeutschland’ und Großbritannien am ehesten
den europäischen Durschnitt.
Tendenziell gilt: Katholische Länder sind stärker religiös als protestantische oder gemischte (Ausnahmen Frankreich und Tschechische Republik); die ehemals kommunistischen Länder hingegen weniger (Ausnahmen Polen und Slowakei), auch wenn viele dieser Länder seit 1989 ein „bemerkenswertes Wachstum“ erlebt haben.
Mit Ausnahme von Ostdeutschland und der Tschechischen Republik bekennen sich in allen europ. Ländern eine Mehrheit der Bevölkerung zum ‚Glauben an Gott’. Ostdeutschland ist das einzige Land, in dem sich eine Mehrheit (51%) als atheistisch bezeichnet. Auch hier liegt Tschechien an Platz zwei, doch hier bezeichnen sich schon nur 20% als Atheisten.
Der Glaube an einen persönlichen Gott im Sinne der jüdisch-christlichen Tradition liegt im Durchschnitt in jedem Land um zwanzig Prozentpunkte niedriger. Für den Autor überraschend liegt die Zahl derjenigen, die mehrmals im Monat beten und derjenigen, die an (rel.) Wunder glauben, in vielen Ländern höher als die Zahl derer, die an einen sich sorgenden Gott glauben.
Noch kleiner ist die Zahl derer, die angeben schon einmal persönlich eine religiöse Erfahrung gemacht zu haben. Interessanterweise ist bei letztem Punkt die Streuung am geringsten, in fast allen, auch den sonst sehr religiösen, Ländern liegt hier der Wert zwischen 10% und 20%. Nur Italien sticht absolut heraus, dort behaupten 31% der Bevölkerung schon einmal eine religiöse Erfahrung gemacht zu haben. [Die meisten, wie ich schätze, beim Fußball].
Die genauen Daten für ‚West’-‚ und ‚Ostdeutschland’ sind:
- Glaube an Gott (65%; 25%)
- Theist (45%; 17%)
- weder Atheist noch Agnostiker (78%; 36%)
- Gott kümmert sich (37%; 14%)
- Gebet mehrmals im Monat (41%; 14%)
- Religiöse Wunder (39%; 39%)
- Religiöse Erfahrungen (16%; 10%)
- Atheist (11%; 51%)
Insgesamt lässt sich die individuelle Religiosität so zusammenfassen, dass die Mehrheit der europäischen Bevölkerung sich einen allgemeinen Glauben an Gott erhalten hat, jedoch die Zahl derjenigen, die sich zu einem Glauben an einen persönlichen Gott bekennen, regelmäßig beten und eine religiöse Erfahrung gemacht haben, in dem meisten Ländern eine kleine Minderheit darstellen. Gleichzeitig glaubt eine Mehrheit an ein Leben nach dem Tod, Tendenz steigend, und es ist Allgemein eine starke Hoffnung auf Transzendenz festzustellen.
Dies alles betraf nur die individuelle Religiosität, wie aber sieht es mit der ‚Teilhabe an gemeinsam gelebter Religion’ aus?
Nur in drei europäischen Ländern (Irland, Polen, Schweiz) geht die Mehrheit der Bevölkerung regelmäßig zur Kirche, in den meisten anderen sind es weniger als 20% (‚Westdeutschland’: 15-17%; ‚Ostdeutschland’ 4%). Kein Indikator ist seit den 1950er Jahren in den meisten europ. Ländern so stark gefallen wie dieser. Hier zeigt sich auch der deutlichste Unterschied zu den USA, wo sich „quer durch die Bekenntnisse […] die Religionsgemeinschaften als anhaltend vital erweisen“. Besonders krasse Beispiele stellen die Niederlande und Großbritannien dar, in denen fast eine ganze Generation die religiöse Bindung ihrer Kindheit verloren hat. In ‚Ostdeutschland’ und Tschechien gibt es bereits eine breite zweite Generation kirchlich Ungebundener, so dass 48% bzw. 33% areligiös aufwachsen. Casanova konstatiert: „In Frankreich, Ostdeutschland und Tschechien als den säkularisiertesten Ländern Europas ist die Religion im Sinne einer Kette kollektiven Gedächtnisses eindeutig am Verschwinden.“
In allen diesen Fällen können diese Prozesse aber nicht mit
der klassischen Säkularisierungsthese, also als Modernisierungsprozesse,
erklärt werden, sondern nur aus der jeweils spezifischen historischen Dynamik
von Staat, Kirche und Nation. Pointiert: „Nur wenige würden wohl die stärkere
Säkularisierung Ostdeutschlands (im Vergleich zu Westdeutschland) darauf
zurückführen, daß Ostdeutschland moderner sei“.
So kommt auch Casanov zu dem Schluss, „daß die eurozentrische Ansicht, der zufolge westeuropäische Entwicklungen einschließlich der Säkularisierung allgemeine universelle Prozesse seien, nicht mehr haltbar ist“. Vielmehr gelte: „Auf dem Gebiet der Religion gibt es keine global gültige Regel. […] Es gibt daher keinen Ersatz für ernsthafte vergleichende historische Analyse.“
So kommt Casanova gegen Ende zu einer ganz eigenen Pointe,
nachdem er die Bedeutung der aufklärerischen Religionskritik für die Identität
Europas betrachtet, konstatiert er:
„In dieser Hinsicht sind Säkularisierungstheorien in Europa
in dem Maße sich selbst erfüllende Prophezeihungen, als eine Mehrheit der
Bevölkerung sie als Beschreibung von Gegenwart und Zukunft akzeptiert. Die
Annahme, daß eine Gesellschaft desto areligiöser werde, je moderner sie sei,
wurde in Europa zu einer Selbstverständlichkeit – in der Religionssoziologie,
aber auch bei der Bevölkerung. Dieses Postulat hat reale Konsequenzen auf dem
Gebiet der Religiosität.“
In diesem Sinne kann man die Säkularisierungstheorie wohl als eine große Erzählung betrachten und vielleicht als eine der letzten großen ‚modernen’ Erzählungen, die gerade zusammenbricht. Zumindest bei den Religionssoziologen, mal sehen was passiert, wenn das in die breite Bevölkerung sickert. Man darf gespannt sein…
P.S.: Zu ähnlichen Ergebnisse kam übrigens der Religionsmonitor 2008 der Bertelsmann Stiftung.
Momentan komme ich zu Hause nicht ins Internet, sondern nur im Büro. Unter anderem deswegen gab es hier schon so lange kein Beitrag mehr von mir oder Antwort auf die Kommentare. Und jetzt nach 8h Unterrichten (Wochenende 2 meines Blockseminars 'Bildung und Religion') reicht es auch nicht mehr als für ein kurzes Lebenszeichen. Immerhin schon mal etwas.
Und jetzt verspätet ab ins Wochenende...Beste Grüße an alle!
Eine der ‚großen Erzählungen’ der Moderne, die auch heute noch sehr wirkmächtig ist und erst langsam aber unaufhaltsam an Plausibilität verliert, ist die sogenannte ‚Säkularisierungsthese’. Diese besagt, dass mit fortschreitender Modernisierung die Religion immer stärker an Einfluss verlieren wird, bis sie einst, wenn alle Menschen restlos aufgeklärt sind, ganz verschwinden wird.
Die Säkularisierungsthese hat ihre Herkunft in der Ablösung der mittelalterlichen christlichen Weltordnung und der katholischen Kirche als der zentralen Autorität durch die säkularen Staaten und die moderne Wissenschaft als die zentrale Autorität. Explizit gebildet und formuliert hat sie sich dann in der Aufklärung und der mit ihr verbundenen Religionskritik, die sich entlang dreier Dimensionen abspielt:
- die kognitive Kritik: Eine religiöse Weltsicht gilt als der wissenschaftlichen Weltsicht untergeordnete und unterlegene, letztlich primitive Anschauung. Religion ist höchstens noch etwas für schlichte Gemüter, einem durch Wissenschaft aufgeklärten und mit Vernunft und Rationalität ausgestatteten Geist geziemt sie sich nicht.
- die politische Kritik: Religion geht notwendig mit Herrschaft und Unterdrückung einher. Stets haben sich Herrscher und Priester miteinander verbündet, um mittels ‚Opium fürs Volk’ dieses unwissend und unterdrückt zu halten.
- die humanistische Kritik: Die Idee von Gott entfremdet den Menschen von sich selbst und ist eine selbstverleugnende Projektion menschlicher Wünsche und Absichten auf eine jenseitige Welt. Daher ist der ‚Tod Gottes’ die Voraussetzung der menschlichen Emanzipation.
Auf dem Hintergrund dieser Kritik entwickelte sich die Säkularisierungsthese und wurde in den westlichen, modernen Gesellschaften zu einer unhinterfragbaren Selbstverständlichkeit, die die Sicht der Realität und der Geschichte wesentlich bestimmt (hat).
Doch wie sieht ganz nüchtern betrachtet die heutige Lage der Religion aus? Hat sich die Säkularisierungsthese bislang bestätigt?
Dieser Frage ist Peter L. Berger nachgegangen, ein bekannter Religionssoziologe, der diese These selbst lange offensiv vertreten hat. Allerdings hat er, wie die Mehrheit der heutigen Religionssoziologen, diese These mittlerweile aufgegeben. Denn wirft man einen nüchternen Blick auf die religiöse Lage nicht nur der westlichen Gesellschaften, sondern der ganzen Welt, dann lässt sich konstatieren: Die Religion ist ‚alive and well’. In den meisten Ländern zu den meisten Zeiten ist dies nie anders gewesen, doch insbesondere aktuell sind die Religionen so vital wie selten zuvor.
Berger spricht von nur zwei Ausnahmen: Europa und die weltweit verteilten Eliten, die eine westlich-orientierte Bildung genossen haben. Allerdings sind es diese Eliten, die vor allem in Wirtschaft, Wissenschaft und den Medien beheimatet sind und die daher ganz wesentlich das definieren, was als Realität und Wirklichkeit gilt.
Pointiert fasst Berger seine Analyse zusammen, indem er von einem Forschungsprojekt erzählt, das eine amerikanische Stiftung großzügig finanziert hat und bei dem das Phänomen Fundamentalismus erforscht und erklärt werden soll. Nach der Betrachtung der weltweiten Lage der Religion müsste man die Blickrichtung des Projektes nun aber eigentlich vom Kopf auf die Füße stellen: Sind es doch die westlichen Forscher, die die weltweite und zu erklärende Ausnahme bilden (indem diese sich aus der Schnittmenge der beiden Ausnahmen, Europa und Bildungselite, rekrutieren) und nicht irgendwelche fundamentalistischen Mullahs.
Letztlich zeigt sich in der Säkularisierungsthese die Vorherrschaft einer eurozentrischen Sichtweise, die die westliche, moderne Weltsicht zur einzig geltenden macht und Alternativen kaum wahrnimmt. Nur eine solche Sichtweise konnte aus der eigenen geschichtlichen Entwicklung ein universelles Gesetz machen und als die eigene Geschichte als (einzig) natürlichen Fortschritt deuten. Länder in denen die Religion noch eine herrschende Rolle spielte galten schlicht als ‚Entwicklungsländer’, die eine entsprechende Entwicklung hin zu einer säkularisierten Gesellschaft noch durchmachen müssen.
All diese Selbstverständlichkeiten brechen in einer Zeit der Aufklärung zweiter Ordnung (Aufklärung der Aufklärung) in sich zusammen. Was bedeutet dies aber für unsere heutige Situation? Welche Chancen und Herausforderungen bilden sich für religiöse Weltanschauungen in einer postsäkularen Gesellschaft? Und: Wie genau sieht die religiöse Lage in der Ausnahme Europa aus? Kann man wenigsten hier von Säkularisierung sprechen?
Dazu bald mehr.
Da gerade Halbzeit ist im Türchenöffnenrausch: Wer sich nicht mehr erinnert oder den Blog da noch nicht gelesen, der weiß ja auch gar nicht, dass es letztes Jahr um diese Zeit einen digitalen Adventskalender gab, mit vielen leckeren Gedankenhäppchen zum anhören. Wer nachträglich stöbern und naschen möchte: hier, hier und hier.
Nachdem es auf diesem Blog in letzter Zeit inhaltlich etwas mau zuging, möchte ich mal wieder den Versuch einer kleinen Reihe starten. Die Vorzeichen stehen gut, weil das meiste Material schon vorhanden und geordnet ist und ich auch mal wieder ein klein bisschen mehr Luft zum durchatmen habe, als die letzten Wochen.
Um zu verstehen, worum es in dieser Reihe gehen soll, möchte ich mit zwei Zitaten von Michel Foucault starten:
„Mein Problem bestand darin, selbst eine Erfahrung zu machen und die anderen aufzufordern, vermittelt über einen bestimmten historischen Inhalt an dieser Erfahrung teilzunehmen: nämlich an der Erfahrung dessen, was wir sind und was nicht nur unsere Vergangenheit, sondern auch unsere Gegenwart ausmacht; an einer Erfahrung unserer Modernität, derart, dass wir verwandelt daraus hervorgehen.“
„Mit anderen Worten, wir werden von Prozessen,
Bewegungen, Kräften durchdrungen; diese Prozesse und Kräfte kennen wir nicht,
und die Rolle des Philosophen besteht darin, diese Kräfte bzw. die Wirklichkeit
zu diagnostizieren. Es geht darum eine Antwort auf die Frage zu geben: Wer sind
wir und was geht eigentlich vor?“
Ich lade Euch also ein mit mir gemeinsam der Frage nachzugehen, wer wir heute sind? Doch diesem ‚Heute’ ist nicht mit einer bloßen Gegenwartsanalyse beizukommen, denn das ‚Heute’ ist eine zutiefst historisch geprägte Situation. Wir stehen in einem Strom von Prozessen, Bewegungen und Kräften, die uns durchdringen, die das konstituieren, was für uns als selbstverständlich, natürlich und authentisch erscheint und die doch zutiefst historisch sind.
Um diese Frage, wer wir – aufgrund unseres gestern - heute sind, werde ich mich also demnächst drehen und diese von verschiedenen Seiten angehen. Vielleicht mache ich – und vielleicht machst auch Du, der dies lesen und kommentieren wirst – dabei eine Erfahrung, eine Erfahrung unserer Modernität, derart, das wir verwandelt daraus hervorgehen.
„Das Tiefe, das der Geist von innen heraus, aber nur bis in
sein vorstellendes Bewußtsein treibt und es in diesem stehen läßt, – und die
Unwissenheit dieses Bewußtseins, was das ist, was es sagt, ist dieselbe Verknüpfung des Hohen und Niedrigen, welche an dem Lebendigen die Natur in der
Verknüpfung des Organs seiner höchsten Vollendung, des Organs der Zeugung, –
und des Organs des Pissens naiv ausdrückt. – Das unendliche Urteil als
unendliches wäre die Vollendung des sich selbst erfassenden Lebens, das in der
Vorstellung bleibende Bewußtsein desselben aber verhält sich als Pissen.“
Georg Wilhelm Friedrich Hegel (in: Phänomenologie des
Geistes, Kap. 5, Abschnitt A)
Äh, ja…großes Kino jedenfalls, vielleicht sollte ich doch mal
die ‚Phänomenologie des Geistes’ lesen und nicht nur im Regal stehen haben.
Was von Brian
und Jason am Forum in Erlangen überaus betont wurde ist, dass Emerging Church
nicht DAS neue Ding und alles andere doof ist. Statt die neueste, tollste,
trendigste Bewegung zu sein, die auf andere Christen und Bewegungen
herabschaut, geht es vielmehr darum, eine grundsätzliche Haltung der
Wertschätzung für alle Formen von Kirche und Gemeinde zu entwickeln.
Ich glaube, dies ist in der Tat ein sehr wichtiger Punkt. Eine falsche Motivation ist die pure Lust am Anders-Sein. Ein Gegen-das-System-Sein ist all zu oft genau das, was uns zum funktionalen Bestandteil des Systems macht. Foucault drückte dies mal noch zugespitzter aus: „Ich glaube, sich ein anderes System vorzustellen, ist gegenwärtig noch Teil des Systems.“
Das gleiche gilt für den post-modernen Umgang mit der Moderne. Wer denkt, er könnte die Moderne überwinden oder hätte dies gar schon getan ist auf dem Holzweg. Wer nun alles Gute als postmodern und als Schlechte als modern bezeichnet, hat nichts verstanden. Vattimo bezeichnete mit Heidegger das ‚Post’ der Postmodernen nicht als Überwindung, sondern als Verwindung. Das soll heißen: Weder kann man das Moderne dialektisch aufheben noch einfach hinter sich lassen. Dies bedeutet: „dann wird die Moderne nicht hinter sich lassen können, wer sie zu überwinden gedenkt“.
Jetzt ist das Emergent-Forum in Erlangen schon einige Tage
ein Woche vorbei und es haben schon viele etwas darüber geschrieben, doch ich kann ein so
wichtiges Ereignis – zumindest für mich – nicht einfach unkommentiert lassen.
Andererseits bekomme ich es nicht hin, die Vielzahl der Eindrücke und Gedanken
in Ruhe aufzuschreiben. Vielleicht folgt also demnächst noch hin und wieder die
ein oder andere Impression.
Vielleicht nur soviel: Es war ein großartiger Start, geprägt von einer seltenen und kostbaren gegenseitigen Wertschätzung und echtem Interesse aneinander. Genau dies haben uns auch Brian McLaren und Jason Clark vorgelebt und uns damit mehr und wichtigeres gelehrt, als sie es in tausend Vortragsstunden hätten machen können.
Ich kann nur jede einladen sich an dem Austausch zu beteiligen und bin gespannt, was in zwanzig Jahren aus dem Emergent Netzwerk geworden ist und hoffe und bete, Gott möge es segnen und zu einem Segen machen.
Wer das nächste Jahr richtig gut starten will und/oder sich mal in Ruhe über seine Zukunft Gedanken machen möchte, dem kann ich nur die Z (Zukunftswerkstatt auf dem Dünenhof) empfehlen. Ich bin wieder im Team mit am Start und freue mich schon jetzt auf eine explosive Zeit ruhender Extravaganzen. Alles weitere könnt Ihr auf dem Flyer oder der Homepage lesen oder mich persönlich fragen. Bislang kenne ich noch niemanden, der eine Teilnahme bereut hätte, eher im Gegenteil - wer nicht kommt, ist also selber schuld (und damit lastet mal wieder alles auf den Schultern des armen Individuums):
Flyer Zukunftswerkstatt
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