Vorletzten Donnerstag hatten wir offene Bühne, dazu versuchte ich mich an einer Kolumne, weil ich die ja so mag. Diese gebe ich nun hier doch mal zum Besten:
„Der Sommer ist vorbei. Sieben japanische Mädchenrücken im
Gegenlicht.“ sang einst die Band Erdmöbel auf ihrer grandiosen CD Namens ‚Das
Ende der Diät’. Erdmöbel ist übrigens der ostdeutsche Euphemismus für Sarg und
ein Euphemismus ist, wenn etwas gesagt wird, was eigentlich viel schöner klingt
als es dolle ist. Die leckeren Fotos auf Verpackungen von Fertigerichten sind beispielsweise
allesamt Euphemismen, was bedeutet, dass der Anblick des Essens auf der Packung
eine und der Anblick des real-existierenden Essens im Postmikrowellenzustand
eine ganz andere ist. Mein Beinnahe-Lieblingskolumnist Max Gold hat einmal
geschrieben, mit den Verpackungsbildern auf Fertigessen sei es, wie wenn man
mit Claudia Schiffer veabredet sei und Günther Strack kommt.
Aber wer kennt denn heute noch Claudia Schiffer, ganz zu
schweigen von Günther Strack? Vielleicht sollte man daher lieber sagen, mit den
Verpackungsbildern auf Fertiggerichten sei es, wie wenn man mit Scarlett Johansson
verabredet ist und Horst Schlämmer kommt.
Wie dem auch sei, jedenfalls ist die Stelle mit den
Verpackungen auf Fertigessen beinnahe die Lieblingsstelle bei meinem
Beinnahe-Lieblingskolumnisten Max Gold, übertroffen wird sie nur von der Stelle,
in der Max Gold von einem Bekannten spricht, der einst in einer Werbeagentur
arbeitete – einst, weil diesem bereits nach Erfüllung seines ersten Auftrags wieder
gekündigt wurde. Der Bekannte sollte eine Imagekampagne für einen Flughafen
entwerfen, heraus kam ein Werbeplakat auf dem stand: Flugzeuge stürzen ab,
Flughäfen nicht.
So, nun aber genug der Hommagen. Hommagen sind, wenn einem was vom anderen so dolle gefällt, das man dies im Eigenen eigens vorkommen läßt. Quasi wie Huldigungen per Verweise, nur mehr so auf Kunst und so bezogen. Huldigung ist übrigens ein ausgesprochen putziges Wort, man wäre fast geneigt es in eine Glasvitrine zu stellen und auf diese mit Window-Colours in bunten Lettern ‚Enthuldigen Sie bitte diesen schlechten Scherz’ zu schreiben.
Währenddessen ist der Sommer übrigens immer noch vorbei. Stattdessen ist ‚deutscher Herbst’, auch wenn dieses Jahr kein deutsches Sommermärchen stattgefunden hat. Trotzdem war dieser Sommer ein absoluter Traum – Traum im Sinne von Fiktion natürlich. Fiktion ist was wo gar nicht da ist, aber so tut als ob. Quasi eine Hommage an die Realität, die im Falle einer positiven Darstellung vielleicht auch ein wirklichkeitsverssener Euphemismus genannt werden kann. Wer weiß das schon genau, es ist die Sprache ja ein trotziges und verzagtes Ding.
Eigentlich wollte ich aber über den deutschen Herbst sprechen. Da war nämlich auch nicht nur alles schlecht. Zumindest waren die Autobahnen noch gut erhalten und es gab Eva Herman noch nicht. Naja, es gab sie schon, aber man wurde noch nicht mit ihr belästigt.
Nein, ich finde das jetzt nicht zu gemein. Mehr sag ich aber nicht zur ganzen Hermansschlacht und tue das, was immer dann verlangt wird, wenn man nicht weiß, was man noch miteinander kommunizieren soll: Ich erzähle eine Anekdote aus meiner Jugend. Diese verzagte und trotzige Zeit, in der ich noch langes, wallendes blondes Haar, zusammengebunden zu einem gülden leuchtenden Zopfe, trug und mich dem häuslichen Staubsaugen verweigerte, weil dies, so mein damaliges Argument, laut neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu späterer Impotenz führe. Ebenso versuchte ich mich dem ausserhäuslichen grünen Genozid Namens Rasenmähen zu enthalten, weil dies ja ganz offensichtlich eine vollkommen unnatürliche, entfremdete und äußerst brutale Sache sei. Man sieht schon, meine Mutter hatte es nicht immer leicht mit mir – zumindest ab der Zeit, zu der Erziehung zunehmend auch auf argumentativer Ebene verlaufen muss.
Statt mich also den häuslichen oder ausserhäuslichen Haus- bzw. Ausserhausarbeiten zu widmen, begab ich mich in die Tiefen meines Innenlebens und versuchte mit geschlossenen Augen zu sehen. Es ist die Jugend bekanntlich eine Zeit, in der man die Fremdheit mit sich selbst ja noch für einen bald zu überwindenden Übergangszustand hält und meint mit dem Weg nach Innen das Tor zu einer fabelhaften neuen Welt aufzustoßen, nur um bald zu erkennen, dass diese neue Welt mehr einer düsteren, schleimigen Grotte gleicht, in der kleine, hässliche grüne Monster hausen, die man lieber nicht mit sich in Verbindung gebracht bekommen möchte. Apropo komische Kreaturen, was ich eigentlich anedoktieren wollte, hat mit genau solchen zu tun. Aber von vorne.
Kennen sie das interessante Phänomen, dass, wenn sie ein bestimmtes Buch intensiv lesen und dazu gleichzeitig eine bestimmte, möglichst neue CD immer wieder hören, beide in einer ganz besonderen intensiven Stimmung quasi eins werden? Anders gesagt, dass eine intensive Stimmung erzeugt wird, die nicht bloß nur auf die Musik, noch nur auf das Buch zurückgeführt werden kann und trotzdem beides atmet? Kennen sie? Jedenfalls war dies in meiner Jugend der Fall bei der Kombination von Kuschelrock 5 und der Buchfassung von Jurassic Park. Eine ganz besondere Stimmung sag ich Ihnen, die dazu führt, dass ich noch heute beim Hören von Aha´s ‚Cryin in the rain’ (Track 1 auf CD 2) an einen Wissenschaftler denken muss, der sich in einem nasskalten Dschungel auf der Flucht vor geklonten Dinos befindet und dem ungefähr bei Minute 2:32 von einem zur Gattung der Vogelbeckendinosaurier gehörenden Styracosaurus der Bauch bis unter das rechte Auge aufgeschlitzt wird, was dazu führt, dass dieser spätestens bei Track 2, Phil Collins ‚Another Day in Paradise’ den, wie man so schön sagt, Löffel abgegeben hat. Was man überhaupt so alles sagt. Ich meine, wer bereits den Löffel abgegeben hat, braucht wenigstens kein Selbstvertrauen mehr zu tanken. Auch kann er in keine Schranken mehr verwiesen werden, ebenso wie der besagte Wissenschaftler sich nun garantiert auch nicht mehr zusammenzureißen braucht. Irgendwann ist eben alles Mal zu Ende und auch für diese Kolumne ist die Zeit gekommen. Ein gutes Ende zeichnet sich in einer guten Kolumne natürlich dadurch aus, dass das Anfangsthema noch einmal ebenso passend wie unvermittelt aufgenommen wird. Und so hommagiere ich mal kurz den Titel eines anderen Liedes von Erdmöbel: "Leben ist trivial." Und das ist nicht mal doof gemeint.
Komisch, dass auf so einen guten Beitrag keine Kommentare kommen. Vielleicht weil es in der falschen Kategorie gelandet ist. Oder aber weils gesprochen besser wirkt. Auf alle Fälle ist es für mich der Höhepunkt der OpenStage gewesen und ich hoffe, dass ich weitere Versuche von dir hören werde. Wobei lesen vorerst wohl reichen muss.
Posted by: Pater-Brown | Jan 07, 2008 at 23:51
Ja, fand ich auch. Aber das ging mir schon öfter so. Kann mich Allgemein über die Häufigkeit von Kommentaren nicht beschweren. Aber immer dann, wenn ich dachte, jetzt ist´s mal was besonders Spannendes, kam nix. Danke Dir auf jeden Fall für die Blumen, wie schon gesagt: Für mich warst du der Höhepunkt der OpenStage.
Posted by: tobiK | Jan 20, 2008 at 22:08