"Das Heil des einzelnen Menschen und im einzelnen
Menschen das Heil seiner Seele standen so sehr im Zentrum, daß das Heil des
Leibes, der menschlichen Gemeinschaft und des Kosmos an den Rand gedrängt oder
gar nicht mehr beachtet wurden. Wird aber die christliche Hoffnung auf die
Rettung der Seele in einen Himmel jenseits des Todes reduziert, dann verliert
sie ihre lebenserneuernde und weltverändernde Kraft und verglüht zu einer
gnostischen Erlösungssehnsucht im Jammertal dieser Welt." Jürgen Moltmann
Dieses sehr treffende Zitat passt zu einer wichtigen und aktuellen Diskussion, die gerade stattfindet (hier, hier, hier,hier und hier). Leider leben viele Christen heute einen sehr dualistischen Glauben, der mehr mit unserer Geistesgeschichte, als mit der Bibel zu tun hat. In der Geistesgeschichte kam es immer wieder zu kategorialen Trennungen. Kategorien sind etwas mit denen wir unsere Wahrnehmung von der Welt in verschiedene, fundamental voneinander getrennte Wirklichkeiten einteilen. Wir zerschneiden die Wirklichkeit mit einem scharfen Messer, freilich ohne dies zu merken. Wir trennen den Leib von der Seele (oder modernen den Körper vom Bewußtsein), so dass, was Körper ist nicht Bewußtsein sein kann und andersherum. Wir trennen das Individuum von der Gesellschaft, die diesseitige Welt von einem jenseitigen Himmel, usw.
Daher glaube ich, dass wir dringend eine neue Ontologie brauchen, also eine Lehre des ‚Seins’, die uns bessere Kategorien zur Verfügung stellt und nicht die falschen Wirklichkeitsbereiche trennt. Dies muss meines Erachtens bei der Eschatologie anfangen, also der Lehre von den letzten Dingen, von der Zukunft der Welt, der Zukunft des Kosmoss.
Viele Christen denken, dass die Welt gefallen ist und notwendig zugrunde geht. Alles was errettet werden kann sind menschliche Seelen, die nach erfolgter Rettung bzw. nach dem Tod ihres sterblichen Körpers in den Himmel, die ewige Seligkeit aufsteigen.
In der Bibel ist jedoch nicht von unsterblichen Seelen, sondern von der Auferstehung der Toten die Rede, genauso wie es nicht einfach bloß den Himmel gibt, sondern die Rede ist von einem neuen Himmel und einer neuen Erde. Doch dies wird gerne übersehen, bringt es doch allzu große Verwirrung in die gewohnten Denkmuster. Eine neue Erde macht für unsterbliche Seelen keinen Sinn und ein neuer Himmel klingt gar sehr blasphemisch.
Nehmen wir dies jedoch ernst, dann stellt sich die Frage nach Kontinuität und Diskontinuität von alter und neuer Erde. Was wird von dem Alten errettet, transformiert und hat damit eine Kontinuität in das Neue hinein? Brian McLaren benutzt, wenn ich mich recht erinnere, hierzu den Gedanken von einer Festplatte. Nehmen wir vereinfacht an, die Schöpfung wäre eine Festplatte, die von einem Virus verseucht ist. Wenn ich meine Daten retten möchte, wäre es jedoch sehr töricht, alles zu löschen bzw. nur Dateien eines Typus (.seele) zu retten. Vielmehr würde ich retten was zu retten ist. Ganz vereinfacht kann man sich das Rettungshandeln Gottes vielleicht so vorstellen. Nur das dieser nicht einfach Daten hinüberrettet, sondern diese zugleich gründlich transformtiert. Und dieses Rettungshandeln liegt nicht vollkommen in der Zukunft, sondern hat mit dem Ostermorgen und dem Beginn des Reiches Gottes bereits angefangen, auch wenn es ganz offensichtlich in Fülle noch aussteht. Was hier dazu gehört, was wir also zur neuen Schöpfung hinzurechnen können, das werden wir als Menschen nicht dingfest machen können, genauso wenig, wie wir jemals sicher wissen konnten, ob die Seele eines anderen Menschen errettet ist oder auch nicht. Und trotzdem halte ich es für zentral, das wir bessere Vorstellungen davon bekommen müssen, was diese neue Schöpfung beinhalten kann, was also außer der Seele alles erlöst werden kann und wie dies annähernd aussehen könnte.
Sorry, mir erscheint das hier alles recht ungar. Blogge es trotzdem mal, vielleicht haben ja manche von Euch ein paar hilfreiche Gedanken hierzu. Zu letzt nochmal ein Moltmannzitat:
"Christliche Eschatologie lehrt nicht nur Hoffnung für die »Seele«, das war das frühere Wort für »Existenz«, sondern auch für den Leib, nicht nur für den einzelnen, sondern auch für die Gemeinschaft, nicht nur für die Kirche, sondern auch für Israel, nicht nur für die Menschen, sondern auch für den Kosmos."
Mich hat zu diesem Thema "the great divorce" von C.S. Lewis am meisten angesprochen und mir geholfen, eine Vorstellung vom neuen Himmel und der neuen Erde zu entwickeln: Das Gras, das unter den Füßen des "noch nicht transformierten" Menschen schmerzt, Äpfel, die sich nicht anheben lassen, weil sie Ausdruck einer neuen, "schwereren", gehaltvolleren Realität sind. Die neue Welt, die nicht weniger substanziell oder materiell ist als die alte, sondern mehr. Klarer, schärfer, realer. Keine Seelen, die in himmlischen Sphären schweben, sondern: Leben in der Fülle.
Finde ich wunderbar und einleuchtend.
Posted by: Esther | Jun 29, 2007 at 13:00
Ich glaube, du hast recht damit, dass diese platonische Vorstellung der Trennung von Körper und Seele nach dem Tod die häufigste Verwechslung/Vermischung mit dem biblischen Auferstehungsglauben ist, die wir zumindest in Deutschland haben.
Posted by: Simon | Jun 29, 2007 at 19:17
Ja, danke Euch beiden für die Kommentare. "Die große Scheidung" von C.S. Lewis hat mich auch entscheidend geprägt .
Posted by: tobiK | Jul 02, 2007 at 21:08
Wichtig finde ich, dass eine genaue Vorstellung von der Art der Auferstehung für uns nicht möglich ist. Selbst der wichtigste neutestamentliche Text zu dem Thema redet ex negativo von dem "Auferstehungsleib" (1. Kor. 15, 35ff). Da redet Palus über den himmlischen geistlichen Leib in Analogien zum natürlichen irdischen Leib. Es wird klar, dass der himmlische Leib etwas grundsätzlich verschiedenes ist. Und doch nennt Paulus ihn "Leib". Ich glaube, dass er unser ganzes Sein mit einschließt, ganzheitlich. Aber da mein momentaner Leib irdisch und auf materiellen Molekülen basierend ist, fehlt mir die Möglichkeit, etwas positiv darüber auszusagen. "Über" Gott lässt sich ja auch nur in Analogien reden.
Posted by: Tino | Jul 02, 2007 at 23:59