Bin durch das Buch „God in France. Eight Contemporary French Thinkers on God“ auf einen spannenden Gedanken von Heidegger gestoßen. Heidegger redet in seinem Essay “Die Zeit des Weltbildes“ darüber, was im Kern die Moderne ausmacht. Typischerweise fragen wir in einem solchen Fall, was das moderne Weltbild vom mittelalterlichen und antiken Weltbild unterscheidet. Heidegger zeigt jedoch, dass dieser Impuls bereits zutiefst modern ist, denn erst mit dem Aufkommen der modernen Neuzeit gibt es Weltbilder. Wer daher von dem antiken Weltbild redet, der betrachtet die Antike bereits durch die moderne Brille. Und das Verhältnis von Welt und Mensch als ein durch eine ‚Brille’ vermitteltes zu betrachten, ist ebenso durch und durch modern. Man sieht, so schnell kommt man da nicht heraus. Mit Heideggers Worten:
„Was ist das - ein Weltbild? Offenbar ein Bild von der Welt. Aber was heißt hier Welt? Was meint da Bild? Welt steht hier als Benennung des Seienden im Ganzen. […] In dieser Bezeichnung ist mitgemeint der Weltgrund, gleichviel wie seine Beziehung zur Welt gedacht wird.
Bei dem Wort Bild denkt man zunächst an das Abbild von etwas. Demnach wäre
das Weltbild gleichsam ein Gemälde vom Seienden im Ganzen. Doch Weltbild besagt
mehr. […] Weltbild, wesentlich verstanden, meint […] nicht ein Bild von der
Welt, sondern die Welt als Bild begriffen. Das Seiende im Ganzen wird jetzt so
genommen, daß es erst und nur seiend ist, sofern es durch den
vorstellend-herstellenden Menschen gestellt ist. Wo es zum Weltbild kommt,
vollzieht sich eine wesentliche Entscheidung über das Seiende im Ganzen. Das
Sein des Seienden wird in der Vorgestelltheit des Seienden gesucht und
gefunden.“
Was das ganze jedoch wirklich knifflig macht, ist, dass das Entstehen von Weltbildern erst durch einen anderen Vorgang möglich wird, den Heidegger die Entgötterung nennt. Was er unter Entgötterung versteht ist jedoch nicht identisch mit dem, was gemeinhin Säkularisierung genannt wird. Denn:
„Dieser Ausdruck meint nicht die bloße Beseitigung der Götter, den groben Atheismus. Entgötterung ist der doppelseitige Vorgang, daß einmal das Weltbild sich verchristlicht, insofern der Weltgrund als das Unendliche, das Unbedingte, das Absolute angesetzt wird, und daß zum anderen das Christentum seine Christlichkeit zu einer Weltanschauung (der christlichen Weltanschauung) umdeutet und so sich neuzeitgemäß macht.“
Die Verchristlichung des Weltbildes und das Entstehen einer christlichen Weltanschauung sind zwei Seiten einer Medaille, die dadurch entsteht, dass die Welt zum Objekt und der Mensch zum Subjekt wird. Denn ‚die Welt’ kann nur dann zu einem vom Subjekt erkennbaren Objekt werden und ‚Dingcharakter’ bekommen, wenn diese in Gott als dem absoluten Grund gründet (Verchristlichung des Weltbildes) und wenn andererseits ein Subjekt existiert, das in einem gewissen Abstand zu dieser Welt steht und damit aus dieser herausgelöst ist. Erst ein solches Subjekt kann und muss sich ein Bild von der Welt, also ein Weltbild machen. Damit aber gibt es eigentlich gar kein Christentum mehr, sondern höchstens spezielle Subjekte, die sich ein christliches Bild von der Welt machen.
Damit aber verliert das Christentum seine Wahrheit und seine Realität und wird zu einer religiösen Erfahrung. Man sieht nicht länger die Aktivität Gottes in dieser Welt, sondern man spürt seine Gegenwart in sich, seinem subjektiven Innern.
Für Heidegger ist jedes Denken und Sprechen über Gott nun zu spät und zu früh. Zu spät weil der Vorgang der Entgötterung unwiderbringlich geschehen ist, zu früh, weil jeder subjektive Versuch diesen Vorgang rückgängig zu machen die Entgötterung nur bestätigt und bestärkt: Kann dies doch notwendig nur die (Glaubens-)Entscheidung des einzelnen Subjekts für ein spezifisches, nämlich das christliche Weltbild sein. Damit aber wird weniger ‚das christliche Weltbild’, in dem Gott das Subjekt einzige und wahre Subjekt ist, sondern vielmehr das neuzeitliche Weltbild (Achtung Tautologie!) bestätigt.
Damit stellt Heidegger quasi die protestantische Logik vom Kopf auf die Füße. Was hier (Protestantismus) der entscheidende Glaubensakt ist, wird bei ihm zum ärmlichen Versuch eine Welt herzustellen, die unwiderbringlich verloren ist.
Entscheidend ist wohl, ob man in dem mittelalterlichen
Weltbild („Für das Mittelalter dagegen ist das Seiende das ens creatum, das vom
persönlichen Schöpfergott als der obersten Ursache Geschaffene. Seiendes sein
besagt hier: in eine je bestimmte Stufe der Ordnung des Geschaffenen gehören
und als so Verursachtes der Schöpfungsursache entsprechen (analogia entis).
Niemals aber besteht das Sein des Seienden hier darin, daß es, als das
Gegenständliche vor den Menschen gebracht, in dessen Bescheid- und Verfügungsbereich
gestellt und so allein seiend ist.“) die einzige authentische Seinsweise des
Christentums sieht oder nicht. Ich neige nach wie vor zu letzterem und kann
daher Heidegger so nicht folgen, aber ordentlich ins Grübeln gebracht hat er
mich schon. Vor allem zeigt es das, worauf ich schon im letzten Post angespielt
habe: Auch wer mit voller Überzeugung an den einen lebendigen Gott glaubt (und
das tue ich!), lebt zugleich in einem Zeitalter nach dem Tode Gottes und kann
sich aus diesem nicht einfach subjektiv herauskatapultieren. Zu meinen, dass
dies (durch Wechsel der Weltanschauung) möglich sei, zeigt, dass man die
Beziehung zu sich und zur Welt schon wesentlich und immer noch auf die Art und Weise
denkt, wie man es nach dem Tode Gottes bzw. der Entgötterung tut. Was aber ist
die Alternative?
hey tobias,
ich schaue auf deinem blog wohl immer (ungünstiger weise) dann vorbei, wenn es um die großen abenteuer des denkens geht und was bleibt einen da, als passionierten feierabendphilosophen (und als subjekt), als zu kommentieren?
Die Kritik von Heidegger ist in der Tat ein interessanter Einwand. Nämlich, dass das Seiende schon in gewisser Weise immer verfügbares Seiendes ist. Aus dem klar werden über die Struktur des Zuhandenseins (also dem wie uns tatsächliches Sein im Modus des Seienden (dem Vorhanden) entgegen tritt, dass durch unser Handeln /Werkzeuge verfügbar gemacht wurde und im Vollzug wird. Aber durch das auffallen des Mittelcharakters zum Zu-handen wird) wird die entsprechende Ontologie und respektive die Weltsicht erst bestimmt.
Dies führt dann natürlich direkt zu Heideggers ontologischen Differenz zwischen Ontologie (Die Lehre vom Seienden, welche die Aufgabe hat die Differenz vom Seienden und dem Sein des Seienden aufzuzeigen) und dem eigentlich Ontischen (dem tatsächlich Seienden).
Der Einwand, dass Welt Vorhanden ist indem sie durch vergessenes Zuhanden sein zustande kommt, aber eigentlich nicht mit dem Ontischen (dem tatsächlichen Seienden) verwechselt werden darf, kann befruchtenden sein. Insofern es vorwegnimmt, wie wir uns verhalten nachdem wir die Moderne verabschiedet haben. Nämlich Da-sein als situiertes zu betrachten, welches strukturiert wurde. Dasein auch immer gestimmt sein bedeutet und nie eigentlich Seiendes ist, sondern eben nur gerade Vorhanden. (Und die Kritik des bestimmten gestimmt (S)seins kommt dann mit unseren liebenswürdigen Franzosen)
Den Schluss den Heidegger allerdings zieht, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Nämlich, dass Entfremdung dann eine notwendige Form ist, um zu irgendwelchem Ontischen zu gelangen, oder genauer nur zur Differenz das wir Ontisches eben nicht haben.
Wenn Heidegger hier dann mit seiner Entgötterung ansetzt, indem er in seiner Subjekt Objekt Spaltung radikal am Subjekt einsetzt (welches sich die Welt zuhanden (ge)macht (hat)), kommt er natürlich zu seiner Kritik: Das ein christl. Weltbild nur Vorhandenes ist, welches seine Zuhandenheit vergessen hat. Auch die Konsequenz, dass Denken über Gott zu spät und zu früh ist hat dann natürlich dann seine Berechtigung, wenn man das eigentlich Ontische vom Ontologischen trennt. Ja und wenn man denn möchte, kann man dann auch das christ. Weltbild als Weltbild betrachten und als eine Bestätigung des neuzeitlichen Denkens er-finden. Was Heidegger dann auch nicht ganz zu unrecht kritisiert. Und ähnliche Kritik konnte man auf deinem Blog schon ja auch schon finden.
Jetzt aber gleich wieder eine klassische Ontologie hervorzukramen (Scholastik) finde ich nicht ganz geschickt. Denn dies entgeht dem eigentlichen Kritikpunkt nicht, sondern setzt einfach eine Weltsicht vor jede Kritik. Damit enthebt man sich nicht nur dem Einwand von Heidegger, sondern auch noch dem Adressaten von Heideggers Kritik. Nämlich unseren Freund Kant (und seinen Neo-Schulen, die Zeitgenossen des Martin H.).
Die Frage aber, was ist die Alternative zur Entgötterung ist, bleibt damit hochaktuell. Und ich würde sie sogar etwas erweitern wollen. Denn gerade nicht nur die inhaltliche Seinsweise wird interessant, wenn man sich immer noch vom Moderne absetzen muss, als auch von den Postmodernen Denkern, die die Kritik der Weltsicht positiv besetzen ohne ein Ontisches einzufordern (mal überspitzt gesagt). Sondern meiner Meinung nach muss man sich den generellen Spaltungen unseres Denkens stellen, wenn diese tatsächlich Zuhandenes sind, also aus unseren substantivierten Differenzen bestehen (ist zum Sein machen).
Nur so ein Gedanke, den ich noch selbst nicht ganz genau fassen kann:
Wenn man das Sein, nach Zweck-Mittel Relationen bestimmt, um dann auszuweisen, dass die Mittel die wir benutzen (um das Sein zu Bestimmen) das Sein selbst beeinflussen, indem die Mittel nicht vom Zweck (der Seinsbestimmung) getrennt werden können (also hier bestenfalls Zuhandens sind). Dann müsste man doch eigentlich vielmehr an der Zweck-Mittel-Bestimmung ansetzen. Denn die Relevanz des Zwecks (also dieser bestimmten Seins-Bestimmung, dem tatsächlichen Seienden als dem unbestimmten Ontischen ) ist doch selbst fragwürdig, wenn diese auch nur aus dem Mitteln unsers Denkens stammt. Also Vorhandenes ist, welches erst zu Zuhandens gemacht werden muss /Seiendes als Ontisches und eigene Entität muss ja auch woher stammen (Heidegger, selbst wendet sich ja gegen die Begrifflichkeit der Sprache, als Form des Welt seins).
Was ich eigentlich damit meine ist, dass die Frage was Sein ist und ob Gott Tod ist nicht selbst Vorhandens bleibt, wenn wir es nicht Zu-händen nehmen. Meiner Meinung nach bleiben die kantischen Fragen hier aktuell, denn das was ich wissen kann fällt noch lange nicht mit dem zusammen was ich hoffen kann, tun soll und wer wir denn sind! Das ist nicht subjektiv herauskatapultiert mit einer anderen Weltsicht, sondern eher ein tatsächliches Be-sorgen und Für-sorgen (um bei Heidegger zu bleiben). Denn nicht nur als gläubiger Christ, welcher an seinen Schöpfergott und an Erlösung glaubt, muss ich sagen es gibt durch aus wichtigeres als sich dem Ontologischen zuzuwenden. Zwar mag es gelegentlich ganz nützlich sein zu be-greifen, wie wir uns die Welt eigen machen. Da erspart man sich schon ganz unnötige Sorgen und auch die Lebensführung erhält neue Perspektiven. Aber ein und am besten sein Leben sollte man doch schon noch leben. Bestimmtes Wissen nicht kritische zu betrachten führt uns wie gesehen ja auch in einige Untiefen und wenn man so will kann man das was Heidegger den Christen vorwirft, ja auch mit den Ontologen tun. Allein die wir an der Uni tätig sind bleiben ja auch in einen gewissen Erwartungszusammenhang und hier sind wir wieder bei unseren allseits beliebten westlichen Nachbarn, oder auf der negativen Seite der Dialektik.
Wie auch immer, hoffe meine Gedanken sind nicht zu abstrus, aber wer auf seinen Blog Feierabendphilosophen die Chance gibt zu kommentieren, musste schon damit rechen ;)
gruß frank
Posted by: Frank Rehnen | May 22, 2007 at 10:26
Hey Frank,
vielen Dank für Deinen Kommentar! Interessant, dass Du auf das Zweck-Mittel-Denken anspielst, denn nach dem Einleitungsaufsatz in oben erwähntem Buch wenden sich viele französische Philosophen gerade deswegen der jüdischen und christlichen Religion zu, weil sie nach einem Ausweg aus diesem suchen. Und die Idee den heideggerschen Begriff der Sorge zu nehmen, um zu zeigen, dass man auch nach der Entgötterung nicht erstarren sollte, fand ich spannend. Nicht zustimmen würde ich Dir in letztem Punkt: Nach Heidegger ist die ontologische Frage eben KEINE abstrakte Frage (des Wissens oder Erkennens), sondern betrifft unmittelbar unsere Lebenswelt, unser alltägliches Verhältnis zu uns selbst, zur Welt und zu anderen. Und genau hier haben wir es uns als Subjekte ganz gut eingerichtet. Und genau hier - und damit gebe ich Heidegger recht - muss sich was ändern, wenn sich was ändern soll...
Posted by: tobiK | May 26, 2007 at 09:10
Hey Tobias,
da muss ich dir zustimmen, dass Ontologie nicht eine abstrakte Fragestellung darstellen soll. Aber ich würde darauf bestehen wollen, dass dies eine bestimmte Art des Fragens ist, die abstrahieren möchte (sich also vom Konkreten abzieht/ Wobei konkret ja sprachlich schon verweist auf Zusammengesetztes, kommen wohl nie aus unseren Denken raus). Mit dieser (auch bestimmten) Form des Hinwendens, bringt sie dieses 'hier' (deiner Frage) aber doch erst in Sicht. Natürlich kann Ontologie auch eine Wirkung auf eine konkrete Gestaltung von Lebenswelt entwickeln. Allein die Frage bleibt für mich immer noch, weshalb man diese Fragestellung aus dieser Ontologie betrachtet (sich dieses ‘hier’ ansieht)? Begibt man sich nicht auch in einen bestimmten Zusammenhang? Und wenn man davon spricht, dass sich in diesem ‘hier’ etwas ändern muss, ist es dann nicht sogar so, dass diese Ontologie einen Anspruch auf ‘die’ Lebenswelt erhebt? Gerade deshalb finde ich, sollte man das Verhältnis von Ontologie und Lebenswelt zwar nicht trennen, aber kritisch betrachten. Ontologie bleibt für mich so noch bestimmtes Mittel, welches sich aufgrund unseres ‘Denkens’ als abstrahierende (und damit auch auswählende) Form des ‘Denkens’ gibt. (Oh, da merk ich mal wieder wie mir die Be-griffe schon Zusammenhänge vorstrukturieren)
gruß frank
Posted by: Frank Rehnen | May 31, 2007 at 10:29