Heute ein weitere Post zum Thema Schönheit und soziale Ungleicheit (hier zu Teil 1 und Teil 2 ):
Im Folgenden werden die Grundzüge der „Theorie der feinen
Leute“ von Thorstein Veblen aus dem Jahr 1899(!) vorgestellt. Veblen nimmt an, dass eine der
wichtigsten Prinzipien, welche die Menschen zum Handeln antreibt, das Verlangen
nach Prestige ist. Prestige jedoch, ist in verschiedenen Zeiten auf
verschiedene Weise zu erlangen. In neuerer Zeit – also in diesem Fall Ende des
19. Jahrhunderts – geschehe dies vor allem und immer mehr dadurch, dass „man
ungeheuere Mengen von Geld an Dinge verschwendet, die weder dem notwendigen
leiblichen Komfort noch dem persönlichen Wohlergehen, sondern einzig und allein
dem Prestigegewinn dienen.“
Zweck seines Buches ist es, die von ihm so genannte „müßige Klasse“ zu untersuchen, bei der das Streben nach Prestige am stärksten zu sein scheint. Unter einer „müßigen Klasse“ versteht Veblen eine Klasse, die nicht arbeitet, sich selbst also von produktiven Tätigkeiten, nicht jedoch von ‚ehrenvollen’ Tätigkeiten – wie Regieren, Kriegführen, religiöse Aufgaben und Sport – fernhält. Mit Arbeit bzw. mit produktiven Tätigkeiten werden jedoch nur Tätigkeiten deren „letzter Zweck in der Verwertung nicht-menschlichen Materials besteht“ bezeichnet, die für die „müßige“ Klasse das Merkmal der absoluten Minderwertigkeit besitzen.
Die Unterscheidung zwischen „müßiger“ und „arbeitender“ Klasse entstand – laut Veblen - aus der Arbeitsteilung von Mann und Frau. Die produktive Arbeit - also aus passivem, rohem Stoff etwas Neues mit einem neuen Zweck zu schaffen - fiel schon immer den Frauen zu, während Männer es auf dem Raubzug und der Jagd mit beseelten Dingen - also Dingen die Eigenaktivität besitzen - zu tun hatten. Die Heldentat der Männer bestand dabei in der Verwandlung, der Lenkung von Kräften für eigene Zwecke. Eines Mannes unwürdig war es daher, Güter auf andere Art und Weise als durch Raub oder Zwang erbeutet, zu erwerben. Für Veblen ist dies auch die Erklärung für den auch heute noch als so niedrig angesehen Wert der produktiven Arbeit.
Das Entstehen einer „müßigen“
Klasse fällt jedoch auch mit den Anfängen
des Eigentums zusammen. Die Frau wird durch Raub zur Beute, zum Eigentum des
Mannes und das Eigentum an der Frau wird zum Eigentum an den Produkten ihrer
Arbeit. So entsteht das Eigentum an Sachen wie an Personen. Darauf aufbauend
wird Arbeit zunehmend auf der Grundlage des Privateigentums organisiert. Das
geschieht dadurch, dass man Sklaven, die als Privateigentum gelten, für sich
arbeiten lässt. Besitz wird immer mehr zum Zeichen von Überlegenheit und Erfolg.
Die Arbeit verdrängt den Raub, das Anhäufen von Reichtum verdrängt die Trophäe.
Reichtum gewinnt eine immer wichtigere Bedeutung als Grundlage von Ruf, Ansehen
und Prestige. Schließlich wird Reichtum zum Verdienst an sich, bis irgendwann
schließlich ererbter Reichtum sogar als ehrenhafter als selbst erworbener angesehen
wird. Ein Überbleibsel dieser Haltung kann man vielleichtr an dem auch heute
noch ‚naserümpfenden’ Gebrauch des Wortes ‚Neureiche’ sehen.
Bei dem Kampf ums Prestige der –
nach Veblen – in der Gesellschaft tobt, geht es darum den angehäuften Reichtum
angemessen zur Schau stellen zu können. Ein wesentlicher Faktor bei diesem
Kampf um Prestige ist die Schönheit. Schönheit ist, bzw. bewirkt, Prestige und
andererseits beeinflusst das, was Prestige ist, unseren Geschmack und somit
auch, was wir als schön empfinden: „Das Prestige entscheidet jeweils, welche
Formen, Farben, Stoffe usw. zu einer bestimmten Zeit als passend anerkannt
werden; Verstöße gegen die Norm beleidigen unseren Geschmack, weil sie
angeblich Verstöße gegen die ästhetische Wahrheit sind. Die Zustimmung, die uns
ein modisches Äußeres entlockt, kann aber unter keinen Umständen als reine
Vorspiegelung erklärt werden. Bereitwillig und meist ganz ehrlich finden wir
eben die Dinge schön, die jeweils Mode sind.“
Veblen postuliert somit lange vor Bourdieu, dass es einen Unterschied im Geschmack der verschiedenen Gesellschaftsklassen gibt. Was als schön angesehen wird, bestimmen vor allem die unterschiedlichen Prestigenormen der unterschiedlichen Klassen. Der Geschmack ist dabei nicht nur in Hinblick auf Konsumgüter, sondern auch im Hinblick auf menschliche Schönheit von den Normen des finanziellen Prestiges gefärbt.
Das Schönheitsideal stellt sich
somit als etwas Wandelbares dar. So war z.B. in früheren Gesellschaften das
weibliche Schönheitsideal auf einen starken und grobgliedrigen Körper
ausgerichtet. In Stadien der wirtschaftlichen Entwicklung in denen die
demonstrative Muße das wichtigste Mittel zum Erwerb von Prestige darstellt,
dient die Frau als Zeuge finanzieller Macht. Daher soll die Frau der Oberklasse
von jeder Spur der nützlichen Arbeit befreit werden. Im weiblichen Schönheitsideal
wirkt sich das wie folgt aus: Das Gesicht ist besonders wichtig, es muss fein
sein. Ebenso sollen die Hände und Füße zart sein. Die Frau soll insgesamt eine schlanke Gestalt und eine enge
Taille besitzen.
Kleidung ist im Kampf um Prestige als eine Ausdrucksform des finanziellen Prestiges besonders gut geeignet, da sie als ein wichtiger Teil der äußeren Erscheinung ständig gegenwärtig und fast immer fremden Blicken ausgesetzt ist. Für Kleidung wird daher im Allgemeinen mehr ausgegeben, als für andere Konsumgüter. Niemand wird bestreiten, dass Kleidung nicht einfach nur dem Schutz der Person dient, sondern einem anständigen und respektablen Äußeren. Um dies zu erreichen, müssen wir uns an festgelegten Kleidenormen orientieren und uns innerhalb des von ihnen ‚gesteckten Rahmens’ bewegen. Die Bedeutung der Kleidung für das Prestige einer Person zeigt sich auch daran, dass Bequemlichkeit bei der Wahl der Kleidung für die meisten Menschen - wenn überhaupt - nur nachrangige Bedeutung besitzt. Viel wichtiger ist es der Mode zu entsprechen. Wenn dies der Fall ist, dann erlangt der Träger Prestige.
Als elegante Kleider gelten dabei vor allem diejenigen, die den Eindruck erwecken, dass der Träger auf keinen Fall einer manuellen Arbeit nachgehen muss. Elegante Kleider müssen also nicht nur teuer sein, sondern müssen auch Merkmale der Muße tragen. Beispiele dafür sind hohe Schuhabsätze, sowie ein Rock. So schreibt Veblen lakonisch: „Im großen und ganzen kann gesagt werden, dass das eigentlich Weibliche der Frauenkleider darin besteht, jede nützliche Betätigung wirksam zu verhindern.“
Kleider müssen jedoch nicht nur
teuer und unbequem sein, sondern – wie bereits erwähnt - auch modisch. Dass die Mode ständig wechselt,
erklärt sich Veblen aus dem Prinzip der demonstrativen Verschwendung. Die
jeweils neueste Mode ist die prestigeträchtigste und wird daher als schön
empfunden: „Die Annahme lautet deshalb, dass je weiter sich die Gesellschaft,
vor allem die wohlhabenden Klassen entwickeln, das heißt je mehr Reichtum und
Mobilität zunehmen und je mehr der Bereich der menschlichen Beziehungen sich
ausdehnt, desto gebieterischer setzt sich die demonstrative Verschwendung in
Kleiderfragen durch, desto mehr wird der Schönheitssinn vernachlässigt oder gar
vom finanziellen Prestige völlig verdrängt, desto schneller ändert sich die
Mode und desto groteskere und unerträglichere Formen nimmt sie an.“
Auch wenn Veblen nicht sehr viele
Aussagen direkt zu Schönheit und Attraktivität gemacht hat, so ist er doch
einer der ersten der die Themen Prestige, Status und Mode in ihrem Zusammenhang
untersucht hat. Die folgende Definition für Attraktivität von Günter Burkart
könnte direkt im Anschluss an Veblen formuliert sein, d.h. sie weißt einige
Merkmale der Veblen’schen Theorie auf, beinhaltet aber auch Ergebnisse neuerer
soziologischer Untersuchungen: „Soziale Attraktivität soll hier heißen: eine
bestimmte Art von Hochwertigkeit („Klasse“), die Mittels des Körpers
hergestellt wird, und die ermöglicht, Anerkennung, sozialen Erfolg, Prestige zu
erwerben – und zwar mit dem Anschein von Individualität und Natürlichkeit.
Attraktivität verbindet auf körperlicher Basis sozialen Rang mit
Individualität, soziale Identität mit kultureller Symbolik.“
auf der suche nach dingen zu "prestige" bin auf ihre sehr interessante seite gestoßen. ich habe sie gelinkt, ich hoffe, das ist ok?
Posted by: itha | Feb 22, 2007 at 21:38
Natürlich - ist doch immer eine Ehre! Danke!
Posted by: tobiK | Feb 23, 2007 at 02:29
Veblen war ein kluger Kopf und das Buch besitzt auch nach 100 jahren noch hohe Aktualität. Ich denke, ein gesellschaftlicher Status muss nicht unbedingt der momentanen Situation entsprechen. Um einen Brand zu löschen ist ein altgedienter Feuerwehrmann sicherlich besser geeignet als ein Chirurg. Wenn aber der Feuerwehrmann aufgrund seiner Wichtigkeit im Brandfalle glaubt, generell die Vorfahrt zu haben, ist sein Statusdenken sicherlich deplatziert. Solche alltäglichen Starrheiten führen zu Missverständnissen und Rangeleien. Sie fördern durch ihren Irrtum Neid und Aggressionen.
Wer seinen Besitz demonstriert und darum erbittert kämpft, gilt in unserer Gesellschaft als erfolgreich. Kampf und Ringen, um den eigenen Vorteil und das damit zusammenhängende Einkommen finden als Leistung allgemeine Anerkennung. Erfolg zu haben, bedeutet angesehen zu sein. Deshalb sind Neid und aggressive Durchsetzung auch die Folge der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einer Leistungsgesellschaft. Es geht heute nicht mehr darum, die eigene Existenz zu sichern, sondern den eigenen Status zu erhalten oder zu verbessern. Den Mitteln, diese Ziele zu erreichen sind weniger Grenzen gesetzt denn je. Ehrlichkeit und Hilfsbereitschaft kommen im Zusammenleben sicher vor, sind aber unrealistische Vorstellungen von der Basis unserer Beziehungen. Sie werden relevant, nachdem die eigenen Bedürfnisse erfüllt sind. Diese gegenseitige Achtlosigkeit verwechseln wir mit Freiheit und übersehen dabei, dass wir über unser Statusdenken eine enorme gegenseitige Kontrolle ausüben. Zu glauben, wenn sich keiner um den anderen schert, lässt es sich frei beweglich leben, ist ein Irrtum. Tatsächlich funktioniert die gegenseitige Aufmerksamkeit da, wo sie besonders hinderlich ist: Wo der Einzelne sich etwas erlaubt, was keinem anderen schadet, aber ungeheuren Neid erzeugt. Zitat aus: Bistdufrei.de - Bedienungsanleitung für die persönliche (R)Evolution
Herzliche Grüße Martin Fickinger
http://www.bistdufrei.de
Posted by: Martin FickingerMartin Fickinger | May 18, 2007 at 13:18