Eins der spannendsten theologischen Bücher ist für mich Dietrich Bonhoeffers 'Widerstand und Ergebung'. In Briefen, Gedichten und kurzen Texten (Auszüge hier und hier) entwickelt er - wenige Wochen und Monate bevor er für seine Überzeugungen von den Nazis hingerichtet wurde - äußerst wegweisende und provokante Gedanken, die, in einem anderen Kontext geäußerst, wohl als gefährliche (liberale) Häresie gebranntmarkt worden wären. Im 'Digitalen Adventskalender' gibt es heute ein paar Auszüge aus seinen Gedanken zu einem religionslosen Christentum. Dies mutet in einer Zeit, in der so viel von der 'Rückkehr der Religion' gesprochen wird, vielleicht komisch an. Zurück kehrt jedoch sicher nicht 'das religiöse Apriori', von dem Bonhoeffer spricht, vielmehr kommt es zu einer Wiederverzauberung der Welt und zu einer Öffnung für Spirituelles, aber das ist ein langes Thema...Doch kommen wir zu Bonhoeffers Gedanken selbst, für mich ein wichtiger Beitrag zur 'Emerging Conversation'.
Türchen 14: Download bonhoeffer.mp3
Sehr spannender Text.
Genau den haben wir heute in Dogmatik gelesen...
Posted by: Hufi | Dec 14, 2006 at 17:27
Vielen Dank für den Bonhoeffer-Ausschnitt!
Die Radikalität dieser Gedanken hat mich mal wieder umgehauen. In vielem ist Bonhoeffer wohl noch lange nicht „eingeholt“. Wirklich in der Umsetzung begriffen scheinen mir vor allem seine Gedanken zur Stellung des „individuellen Seelenheils“ vs. „Gerechtigkeit Gottes“. Das ist doch wohl der Punkt, an dem Theologen wie N.T. Wright u.a. arbeiten?
Sehr offen ist für mich nach wie vor die Frage: Bleibt Religion tatsächlich als Relikt der Geschichte zurück? Hier bewegt sich die emerging-Praxis ja entschieden in eine andere Richtung: Wiederentdeckung der Spiritualität.
Ist und bleibt also Religion eine menschliche Grundfunktion? Eine Schwäche, die es ihm nicht abzulegen gelingt? In evolutorischen Denkschemata: Eine Frühform menschlicher Entwicklung (Denken in Mythen, Denken in Bildern: Karen Armstrong!)? Oder so etwas wie die Krone des Menschen?
Gibt es religionslose Menschen?
Posted by: Alex | Dec 15, 2006 at 09:18
@Hufi: Wirklich lustig...und danke fürs verlinken!
@Alex: Ja, da müsste man so einiges zu sagen. Ich denke letzlich ist der Begriff religiös/ Religion zu unscharf bzw. vieldeutig. Von meinem Pastor habe ich gelernt, dass man sinnvollerweise zwischen einem mystischen, einem magischen, einem mythologischen sowie einem rationalen Weltbild unterscheiden kann. Letzteres hatte in der westlichen Welt der mindestens letzten zwei Hundert Jahre die Vorherrschaft; der christliche Glaube wie wir ihn kennen ist währenddessen entweder stark im rationalen Weltbild aufgegangen (Liberale) oder mehr oder weniger im mythologischen (Evangelikale) sowie magischen (Charismatiker) hängen geblieben. Vor allem das mythologische würde ich als Bonhoeffers 'religiöses Apriori' ansehen. Gleichzeitig gibt es einen geselleschaftlichen Trend hin zu einem Wiedererstarken des magischen Weltbilds (Esoterik) und dem Einbruch des mystischen Weltbilds (östliche Religionen)in die westliche Kultur. Dies ist es wohl, was wir momentan die 'Wiederkehr der Religion' nennen. Eine erste Reaktion darauf ist es den christlichen Glauben auch in einem mystischen Weltbild ausdrücken zu lernen (dies ist denke ich, was die 'emerging conversation' teils zu tun versucht). Doch auch hier droht eine Einseitigkeit. Letztlich gilt es wohl alle diese Weltbilder nur als möglische Ausdrucksformen des einen Glaubens zu betrachten. Weiß nicht, ob das auf die Kürze verständlich war...
Posted by: TobiK | Dec 16, 2006 at 00:06