Zum Abschluss dieses Adventskalenders natürlich etwas ganz besonderes: Ein Stück Weltliteratur, 'Der Großinquisitor' von Fjodor Dostojewski. Das heißt zum Weihnachstfest, an dem wir die Ankunft Gottes feiern, eine Geschichte über eine (zeitweilige) Wiederkunft Jesu... Euch allen wünsche ich ein gesegnetes Weihnachtsfest, möge der Friede Gottes, der größer ist als alle Vernunft mit Euch sein! Dieser Blog wird aller Voraussicht nach ein wenig Winterschlaf halten, da sein Herrchen anderweitig beschäftigt ist und erst im neuen Jahr Neues bringen. In dieses kommt alle gut hinein!
Der gute alte C.S. Lewis…es ist lange her, das ich seine
Schriften verschlungen habe, wie manch andere Menschen Pasta. Wenn ich heute
hin und wieder in seine Bücher reinlese, dann bin ich immer wieder hocherfreut
und inspiriert von vielen Gedanken und Bildern, aber an nicht wenigen Stellen
möchte ich auch Einspruch erheben oder bin ich gar verärgert. Der heutige Textausschnitt,
indem Lewis sich über den neuen Menschen Gedanken macht ist exemplarisch. Lewis
denkt sehr, sehr weit, bringt tolle Gedanken und Bilder. Und mittendrin in
alldem, an der Stelle wo er den neuen Menschen skizziert, bringt er nicht nur
einen höchstärgerlichen stereotypen Nebensatz über die Frauen, sondern zeichnet
überhaupt das Bild eines höchst souveränen, von anderen Menschen völlig
unabhängigen Menschen. Und genau da möchte ich lauthals widersprechen. Kann es
doch nicht darum gehen unabhängiger zu werden, sondern sich in größerer
Freiheit abhängiger und verletztlicher zu machen…klingt paradox, ist aber nicht
so (oder wie Pater Leppich sagen würde: Klingt lyrisch, ist aber nicht falsch).
Ich sage es mal etwas provokativ: C.S. Lewis war ein großer,
aber kein großartiger Denker. Aber er war, und das ist viel wichtiger, ein
grandioser Übersetzer. Er hat es geschafft den christlichen Glauben seinen
Zeitgenossen plausibel zu machen und dies auf eine solche Weise, dass wir noch
heute davon zerren. Ein ebenso grandioser Übersetzer für die heutigen
Zeitgenossen ist für mich Brian McLaren, dessen neues Buch (von dessen
reißerischem Titel man sich nicht abschrecken lassen sollte) auch zum ersten
Mal auf Deutsch erscheinen wird - endlich! Da sag ich nur kaufen, lesen, verschenken…
Ein wenig verspätet (weil seit gestern in der
mittelhessischen Heimat und dort internettechnisch behindert) gibt es heute zum
dritten Mal etwas aus Fernando Pessoas ‚Buch der Unruhe’. Meine
Lieblingswortfolge daraus: ‚Zärtlichkeit für nie Geschehenes.’
Jolana Poláková, eine tschechische Philosophin, erinnert mit ihren 'Reflexionen über die dialogische Gotteserfahrung' (doofer deutscher Haupttitel: 'Betroffen von Dir') an Buber. Dabei ist sie nicht einfach Kopie des Originals, sondern denkt originell weiter. Ein Buch, das ich Joa verdanke und sehr mag. Hier also ein paar Auszüge...
Wir sind gewohnt von uns selbst als eine Art Ding zu denken, dessen äußere Grenzen die Haut markiert und dem damit zu jedem Zeitpunkt ein genauer Ort in räumlichen Koordinatensystem zugewiesen werden könnte. Dass sich unsere Subjektivität jedoch vielmehr diffus in Zeit und Raum zu strecken scheint, dass Teile unseres Ichs ebenso verstreut erscheinen, wie die Poloniumspur zwischen London, Hamburg und Moskau, dafür ist der folgende Textauschnitt - zum zweiten Mal aus Pascal Merciers 'Nachtzug nach Lissabon' - ein Plädoyer...
'Bunch of Nerds' ist ein feines, kleines Webzine zu den Themen Glaube, Leben und Kultur. Für die aktuelle Onlineausgabe habe ich einen Artikel beigesteuert, der den adventlichen Titel 'WiderlICH oder das Leiden an sich selbst' trägt. Es geht dabei so ein bisschen um niedliche Seinszustände wie 'verzweifelt nicht man selbst sein zu wollen' und 'verzweifelt man selbst sein zu wollen'. Wer mag kann ja mal lesen...
Ich kann gerade nur wenige Worte über Judith Butler schreiben. Hört Euch doch einfach den tollen Text an, in dem es um Trauer, Verlust, Veränderung, unsere menschliche Verfasstheit usw. geht. Der
Ausschnitt stammt aus der Essaysammlung 'Gefährdetes Leben' und
der Essay 'Gewalt, Trauer, Politik', aus dem ich vorgelesen habe, ist die wohl luzideste Kritik an
dem Verhalten der USA nach dem 11. September ist. Aber darum geht es in dem Ausschnitt nicht, kann nur empfehlen den ganzen Essay zu lesen.
Das Geheimnis von Begegnung und Beziehung liegt meines Erachtens im Kern des 'christlichen Glaubens'. Dieses Geheimnis, das in der Vergangenheit mit der Phrase 'persönliche Beziehung zu Jesus' häufig mehr überdeckt als schon ergründet wurde, tiefer zu erfassen und zu leben, dabei helfen die Gedanken des jüdischen Gläubigen Martin Bubers, wie ich finde, sehr. Mit seiner zentralen Unterscheidung von Es-Welt und Du-Welt, hilft er uns, die wir geprägt sind von einer Kultur, die geradezu obsessiv alles als eine Es-Welt zu erfassen versucht, Beziehungen nicht verdinglicht zu denken. Das Gott uns als ein reales Gegenüber geschaffen hat, das nicht er ist, sondern bei aller vollkommenen Abhängigkeit, doch etwas Eigenständiges, von ihm Verschiedenes, ist so zentral wie - bei manch Allmächtigkeitsgerede und Fatalismusgehabe - schnell vergessen. Gleichzeitig ist dies letztlich der entscheidende Unterschied zu einem (übersteigerten) Mystizismus oder auch dem Buddhismus. So viel ich von diesen noch zu lernen habe und hoffentlich noch lerne, so gibt es hier letztlich doch keine verschiedenen Wesen, sondern alles löst sich in einem oder im Nichts auf. Mit Bubers Worten hier gibt es letztlich kein Du, sondern nur ein großes, allesumschlingendes Es. Wo es aber keine Gegenüber gibt, die auf irgendeine Weise real sind und sich tatsächlich einander auch entziehen und versagen können, da gibt es auch keine Beziehung und Begegnung... Depone hat schon öfter interessantes über Buber geschrieben (z.B. hier und hier) und hier ist ein alter Post von mir.
Weil es so schön war, gibt es heute noch einmal ein kurzes Beispiel von Kierkegaard, wie kompliziert scheinbar einfach Dinge, wie Gott für das Gute zu danken sind, wenn man sie in ihrer Komplexität sieht, wenn man sie kompliziert macht, wenn man zur Komplexität verdonnert ist... Mehr Kierkegaard gibt es auf dieser schönen Seite. Türchen 17: Download Kierkegaardb.mp3
Das grundlegende Paradoxon des menschlichen Miteinanders ist durch grenzenloses wechselseitiges Verlangen einerseits und grenzenlose wechselseitige Furcht andererseits gekennzeichnet. Um diese These kreisen die unglaublich treffenden und enthüllenden Gedanken des recht unbekannten Roberto Mangabeira Unger, die er in seinem Buch mit dem vielleicht etwas unglücklich gewählten Titel 'Leidenschaft. Ein Essay über Persönlichkeit' aus dem Jahre 1984 darlegt. Unger ist gebürtiger Brasilianer und Juraprofessor an der 'Harvard School of Law'. Auf seiner dortigen Website steht das komplette Buch, das nach eigenen Aussagen das für ihn wichtigste ist, in englischer Originalversion frei zum Download. Eine Hörprobe in deutscher Sprache, gibt es in Türchen 16: Download Unger.mp3
Bitte schaut Euch diesen unglaublich charmanten und cleveren Kurzfilm an, um ein klein wenig Ahnung von unserem perfiden wie absurden Geldsystem zu bekommen!!!
Ich habe nicht wirklich Ahnung von dem ganzen, aber meiner Ansicht nach ist der Knackpunkt die Sache mit den Zinsen. Die Bibel ist da eigentlich sehr, sehr deutlich: Du sollst von deinem Bruder nicht Zinsen nehmen: weder Zinsen
für Geld noch Zinsen für Getreide noch Zinsen für sonst
etwas, wofür man Zinsen nehmen kann. Von dem Ausländer darfst du Zinsen nehmen, aber nicht von deinem Bruder, auf daß dich der
Herr, dein Gott, dich segne in allem, was deine Hände schaffen,
in dem Lande, in das du hineinziehst, um es zu bestellen (5.Buch Mose 23,20+21)
Wer auf Zins leiht und Zuschlag nimmt,sollte der am Leben bleiben? (Ezechiel 18,13)
Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. (Matthäus 6,24)
Ich wünschte mir, wir würden verstehen, dass das so genannte 'Reich Gottes' eine subversive Gegenherrschaft gegen all die Mächte und Mechanismen ist, die diese Welt und die Lebewesen auf ihr Stück für Stück kaputt machen. Eine dieser 'sozialen Sünden', an die unsere Gesellschaft leidet bzw. die den Menschen in unserer Gesellschaft Leid bringt, ist unser Geldsystem. Es macht mich sehr traurig, dass all die, die sich Christen nennen (und damit auch ich kleiner Idiot), hier keinen Unterschied machen. Was können wir Eurer Meinung nach dagegen tun?
Mehr Gedanken zu diesem spannenden und wichtigen Thema, insbesondere was die biblische Sicht und der Umgang in der Kirchengeschichte dazu angeht, gibt es hier. Und danke an l'g, der mich auf das Ganze gestoßen hat!
Eins der spannendsten theologischen Bücher ist für mich Dietrich Bonhoeffers'Widerstand und Ergebung'. In Briefen, Gedichten und kurzen Texten (Auszüge hier und hier) entwickelt er - wenige Wochen und Monate bevor er für seine Überzeugungen von den Nazis hingerichtet wurde - äußerst wegweisende und provokante Gedanken, die, in einem anderen Kontext geäußerst, wohl als gefährliche (liberale) Häresie gebranntmarkt worden wären. Im 'Digitalen Adventskalender' gibt es heute ein paar Auszüge aus seinen Gedanken zu einem religionslosen Christentum. Dies mutet in einer Zeit, in der so viel von der 'Rückkehr der Religion' gesprochen wird, vielleicht komisch an. Zurück kehrt jedoch sicher nicht 'das religiöse Apriori', von dem Bonhoeffer spricht, vielmehr kommt es zu einer Wiederverzauberung der Welt und zu einer Öffnung für Spirituelles, aber das ist ein langes Thema...Doch kommen wir zu Bonhoeffers Gedanken selbst, für mich ein wichtiger Beitrag zur 'Emerging Conversation'. Türchen 14: Download bonhoeffer.mp3
Habt ihr Euch auch schon mal gefragt, warum wir Menschen einen solchen Hunger nach Liebe haben und es uns stets nach einem Gegenüber verlangt? Nun, es folgt eine allzu putzige aber insgesamt doch recht schlüssige Erklärung aus Platons 'Sämtliche Dialoge'. Türchen 13: Download platon.mp3
Heute gibt es den zweiten Teil von Pascals'Gedanken'. Während der erste Teil quasi eher die Ouvertüre war, geht es hier richtig zur Sache. Thema ist vor allem die ewige Suche der Menschen nach Glück, deren jüngstes 'unglückliches' Ergebnis wohl die 'Happyology' (die selbsternannte Glücksforschung) ist. Türchen 11: Download Pascal2.mp3
Zum zweiten Advent ein besonderes Schmankerl - ein Auszug aus G.K.Chestertons Buch mit dem lieblichen Titel 'Ketzer'. Wie bereits gestern ist auch dieser Text sehr alt (diesmal aus dem Jahre 1905) und gleichzeitig hoch aktuell...ich will mal nicht zuviel verraten, die Überschrift des Abschnitts lautet 'Schlichtheit und Sandalen'.
Insgesamt mag ich Chesterton so sehr, weil er stets dazu in der Lage war (und irgendwie noch ist) gegen den Strich bzw. den 'common nonsense' zu denken sowie seine im positiven Sinne Sprachgewalt. Hier noch zwei schöne Zitate von ihm:
"Any
one thinking of the Holy Child as born in December would mean by it exactly
what we mean by it; that Christ is not merely a summer sun of the prosperous
but a winter fire for the unfortunate."
"The
Bible tells us to love our neighbors, and also to love our enemies; probably
because they are generally the same people."
Noch einmal gibt es einen kurzen Aphorismus aus Pessoas 'Buch der Unruhe', der einfach mal wieder herrlich ist. Das ganze liest/hört sich, wie ein klug-ironischer Kommentar der durch die Fortschritte gewachsene wissenschaftliche Macht der Hirnforschung hervorgerufene aktuelle Hirn-Geist-Debatte (Beispiele: 1;2;3;4;5). Der Aphorismus ist jedoch von 1932 und damit schon ein klein wenig älter. Es geht also um Hirn, Geist, Kopfschmerzen und die Tücken unserer materiellen Verfasstheit. Viel Spaß! Türchen 9: Download Pessoa_derKopfschmerzt.mp3
Robert M. Pirsig schrieb eins der Kultbücher der 70er Jahre: 'Zen und die Kunst ein Motorrad zu warten' (hier schon mal Thema gewesen). 17 Jahre später gab es einen Nachfolger: 'Lila oder ein Versuch die Moral'. In beiden Büchern, die in autobiographisch angelehnter Romanform geschrieben sind, geht Pirsig der Frage, was eigentlich Qualität bzw. Wert ist, nach bzw. versucht sich sogar an einer 'Metaphysik der Qualität'. Beide Bücher sind es absolut 'Wert' gelesen zu werden, nicht trotz, sondern gerade auch weil in ihnen teils wirklich schräg/quer gedacht wird. Im heutigen digitalen Adventskalender gibt es ein kleinen Auszug aus 'Lila', bei dem der Ich-Erzähler Phaidros nach einem Treffen mit Robert Redford in seinen Gedanken der Frage 'Was ist Ruhm?' nachgeht, wobei er auch hier am Ende wieder bei der Qualität landet. Sehr spannend... Türchen 8: Download lila.mp3
Bevor ich erneut mit dem Wörtchen 'heute' anfange, schlage ich mir selbst ein Schnippchen und kreier diesen Satz. Nicht gerade was man elegant nennt, aber egal. Ihr merkt schon, heute regiert nicht die Schwere, vielmehr gibt es ein posierlichen kleinen Text, in dem Umberto Eco Brachamutanda, den Begründer der tautologischen Schule vorstellt...hehe. Türchen No.7: Download Eco.mp3
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