Habe vorhin im ZDF eine Doku über Mao gesehen und mir ist erstmal klar geworden wie viel ich über Mao und China´s Geschichte bisher wußte: fast nichts. Dabei ist die Geschichte Mao´s ebenso faszinierend und lehrreich wie erschreckend: Ein absolutes Paradebeispiel für menschliche Hybris, bzw. die Hybris eines Menschen, der sein Selbstbewußtsein mit einem stark religiös gefärbten Personenkult aufbessert und sich sadistisch an der Gewalt der Massen und der eigenen Listigkeit berauscht. Mao hat geschätzte 70 Millionen (!!!!!) Menschen auf seinem Gewissen: unter anderem löste er durch verantwortungsloses Experimentieren die wohl größte menschliche Hungerskatastrophe aus; die intellektuelle Elite des Landes forderte er zuerst zum Widerspruch auf, nur um sie im Folgenden in Arbeitslagern umzuerziehen und/oder auf grausamste Weise zu foltern und hinzurichten; dann der teuflische Geniestreich, die Jugend des Landes mit der sogenannten 'Kulturrevolution' zu verführen, einen Massenaufstand mit öffentlichen Folterungen anzuzetteln, nur um sich zurück an die Macht zu manövrieren; nicht zuletzt gelang es ihm die zerstörerische Wut seiner, durch seiner durch seine unzähligen 'Liebschaften' gedemütigten, Frau auf seine Gegner zu lenken, indem er sie zur Chefin der Dissidendenjagd machte...Das China gewissermaßen bis heute unter ihm leidet und sein Andenken immer noch feiert ist mehr als traurig. Als ich da heute das erste Kapitel der Klagelieder las, die das babylonische Exil betrauern, konnte ich gar nicht anders als an China zu denken. Wie lange lebt dieses Volk wohl schon im Exil?
Statt also in den mittlerweile vielstimmigen Chor derer einzustimmen, die ein hässliches Angstlied einstimmen, von einem übermächtigen China in der Weltvormachtstellung überholt zu werden, verweise ich auf folgende Gedanken Teilhard de Chardin´s wieder, die aus dem Jahr 1923 stammen und somit vor Maos Despotismus niedergeschrieben wurden:
"Ich glaube zumindest, daß ich aus der Mongolei mit der immer leidenschaftlicheren Überzeugung zurückkehre, daß das Einzige, was die Dinge zusammenhält (ihr alleiniges endgültiges Sein, auf dem alles übrige ruht), ihr Eingefügtsein in Christo ist. Wenn Sie wüßten, wie greifbar mir vor Augen steht, daß ohne diesen Glauben an einen lebendigen Sinn jeden Elements und jeden Strebens alles nur Leere und Staub wäre! — und wie auch meine Überzeugung zunimmt, daß alles umgewandelt und geheiligt zu werden vermag in jenem Feuer, das uns umschließt und das nichts anderes verlangt, als sich niederzulassen auf die Seele all dessen, was wir tun... Ich hatte die Genugtuung, in Ning-Hia einen Missionar anzutreffen, einen bemerkenswerten Kenner Tibets, mit dem ich (zum erstenmal, seit ich Frankreich verlassen habe) offenherzig über diese Dinge sprechen konnte. Wir haben einander verstanden, glaube ich. Er seinerseits hat (ebenfalls als erster, seit ich in China bin) ein wenig den Schleier von grobem Materialismus vor mir gelüftet, als ich schon die Hoffnung aufgeben wollte, darunter den kleinsten Funken wahrer Mystik in China zu finden. Er zeigte mir, wie die Chinesen abgestumpft sind durch einen Konfuzianismus, der ein einfacher Kode praktischer Moral ist und ein bequemes Gemeinschaftsleben stiftet, ohne jeden Bezug auf ein lebendiges Ideal, welcher Art auch immer. Aber neben diesem Empirismus, der für Tiere recht ist, lebt, wie er mir versicherte, (selbst noch im Herzen einiger chinesischer Philosophen und einiger Lamas) das alte buddhistische Anliegen fort, den Rhythmus der Welt zu ergründen, eine Sicht ihrer unzähligen Entwicklungen zu begründen und den höchsten Buddha zu erwarten, der alles erlösen soll. Diese Versicherungen aus dem Munde eines Mannes, der China von Grund auf kennt, haben mich in meiner alten Hoffnung bestärkt, daß wir vielleicht in der Schule der fernöstlichen Mystiker unsere Moral zu sehr aufgesogene (das heißt zu konfuzianische) Religion ein wenig mehr 'buddhistisch' machen könnten, um endlich einen Christus zu entdecken, der nicht mehr nur ein Vorbild für gutes Verhalten und 'Menschlichkeit' ist, sondern wirklich das über-menschliche Wesen, das von Anbeginn an im Schoß der Welt Gestalt wird und eine Seinskraft besitzt, die durch ihre das ganze Leben umgreifende Herrschaft alles in die Knie zu zwingen, alles in sich aufzunehmen vermag."
In: Briefe an Léontine Zanta. Herder: 1967, 61f
Also mein bescheidenes Abendgebet wird heute für China sein, dass das chinesische Volk ihren höchsten Buddha (a.k.a. Christus) (wieder-)finden und von ihm aus dem Exil in eine wirkliche (nicht bloß westlich-demokratische) Freiheit und Erlösung geführt werden...
Gerade gelesen auf www.telegraph.co.uk: Gestern abend hat ein reicher Mann aus Hong Kong Warhols Mao für 17,4 Millionen Dollar bei einer Auktion in New York ersteigert... Wo er den wohl hinhängt?
Posted by: Mareike | Nov 16, 2006 at 20:03