Hier ein kleiner Rückblick auf das ‚Forum Gemeinde Innovation’ in Romanshorn am Bodensee: Am großartigsten natürlich mal wieder die Menschen. Freude, einem bekannte Menschen wieder zusehen, bestehende Bekanntschaften zu vertiefen und neue zu machen. Einfach großartig wie der Gott das gemacht hat. Mit den Menschen meine ich. Ganz toll auch die Gastgeber, bei denen wir nächtigen durften und die uns morgens mit superleckerem Frühstück und einem unglaublichen Lächeln verwöhnt haben. Und inhaltlich? Hmmm, keine Frage, Alan Hirsch machte seinem Namen alle Ehre und preschte ordentlich voran. Eine sehr gute Zusammenfassung seiner superwichtigen Gedanken findet ihr hier. (Und hier ein paar Bilder). Trotzdem bleibt eine leichte Unzufriedenheit, die sich glaube ich nicht allein mit Alan´s Hey-Folks-here-is-THE-answer-Attitüde erklären lässt. Was also dann?
Zuerst: Zentral fand ich Alan´s Gedanken, dass es im Kern darum geht Jesus nachzufolgen und anderen Menschen dabei zu helfen Jesus nachzufolgen. Und dabei geht es eben nicht einfach bloß darum davon zu reden und zu singen, sondern Nachfolge zu tun. Nur, wie bekommen wir das hin, wenn einfach-nächstes-mal-ein-bisschen-mehr-anstrengen nicht klappt? Eine alte Frage, die sich immer wieder neu stellt.
Die Antwort die von Alan und anderen auf dem Seminar gegeben wurde überzeugt mich nicht wirklich: Der Gedanke einer simple-church oder organic-church. Wie sieht dieser aus? Überspitzt und stark vereinfachend gesagt: Gemeinde so simpel wie möglich, böse Programme und Strukturen weg, dann wächst und multipliziert sich alles von selbst. Das ist natürlich stark verkürzt, in der ganzen Diskussion um ‚organic church’ gibt es eine ganze Reihe sehr wichtiger und guter Gedanken, hinter die man nicht zurückfallen sollte. Hoffe demnächst mal etwas Zeit zu finden einen kritischen, aber ausführlichen Artikel zu dem übermäßigen und häufig recht unreflektierten Gebrauch von organischen Metaphern, den ich aus der Pädagogik nur allzu gut kenne, zu machen. Hier nur zwei unvollständige Gedanken zum Schluss:
1. Zu viel fand m.E. wieder mal auf einer mittleren Abstraktionsebene statt: Weder wurde wirklich auf einer Metaebene über unseren eigenen kulturell bedingten Blick reflektiert, noch wurde wirklich kommuniziert, wie man die nach-wie-vor-superwichtigen Gedanken realiter umsetzen kann.
2. Offen blieb (für mich) vor allem die Frage: Wie schaffen wir Kontexte, die uns für die Nachfolge als Katalysator dienen und uns nicht dabei behindern? Welche Kniffs und Tricks gibt es, die gewohnten Kontexte, in denen wir uns im Alltag bewegen umzumarkieren, damit wir uns dort nicht der Logik des Kontexts, sondern der Logik der Nachfolge folgen? Und wie schaffen wir es ein nicht-mechanistisches Verständnis von Nachfolge zu bekommen und das an die spirituellen Bedürfnisse der heutigen Menschen anknüpft (dies wiederum ohne dabei zu einer transrationalen Wellnessnachfolge zu verkommen)?
3. Spätestens bei der Frage, wie man Alan´s Gedanken in unserem Kontext umsetzen kann, müssen wir uns mit der heutigen Kultur, bzw. deren Transformation Gedanken machen. Auseinandersetzungen dieser Art (mit der spirituellen Öffnung der Gesellschaft oder dem Bedürfnis nach Gemeinschaftsformen, die den bloßen Individualismus überwinden, nicht aber in Muster des alten ‚präindividualistischen’ Kollektivismus verfallen). Natürlich bedeutet das zunächst mal vertieftes Betreiben von (sozialwissenschaftliche angereicherter) Theologie und verstärkter (kritischer) Reflektion und dies ist natürlich nie die Sache selbst, die gilt es immer noch zu tun. Aber a) wozu ist denn eine solche Konferenz da? Und b) poche ich immer noch auf den Unterschied von zu viel reden, dass das Handeln ersetzt und scharfes Nachdenken und kritisches Reflektieren, dass das Handeln zwar nicht initieren, diesem jedoch (neuen) Raum geben kann.
Äußerst erfrischend und großartig waren die abendlichen Alternativ-Worship-Sessions von Kubik, die natürlich alles andere als simple waren. Aber hier ging es (endlich) um Schönheit, Kreativität und Qualität, nicht um letztlich irgendwie ‚hässliche’ Strategien, und damit um das Herz Gottes.
Soweit mein doch nicht so kurzer, verkürzend-einseitiger und viel zu negativ-klingender (es war wirklich großartig!) Rückblick.
Hallo Tobias,
interessanten Rückblick, den du hier geschrieben hast. Ich fand auch die persönlichen Begegnungen am coolsten... vielleicht sollten wir uns / man sich echt mal tiefer mit der Frage auseinandersetzen was ein Kongress / eine Konferenz möchte bzw. bewirken soll und wie man das dann auch in der Weise gestalten kann.
Mir ging das mit den "organic" Gedanken ähnlich. Scheint mir in der deutschen Diskussion manchmal ein bisschen zu stark betont zu werden - im Bezug auf was Innovation ist. Im Gespräch mit Alan stellte ich jedoch fest, dass entgegen dessen wie die Referate wirkten, es jedoch nicht sein ausschließlicher Ansatz ist. Und da sind wir dann schnell wieder bei der Frage nach Komplexität und Simplexität - wo muss ich verkürzen in meinen Ausführungen und wo ist es notwendig mehr zu sagen...
War sehr nett, dich mal wieder real getroffen zu haben.
Friede
Posted by: [depone] | May 10, 2006 at 09:26
Hallo Tobias
Danke für deinen Bericht. Gute Gedanken, bin gespannt auf weitere Posts.
Liebe Grüsse und ich hoffe, ihr habt die lange Reise gut geschafft, gemäss deinem Post bist du aber ja auf jeden Fall angekommen :-)...
Posted by: Mike | May 10, 2006 at 09:31
@depone: Ja, das wäre mal eine spannende Frage. Interessant was Du zu Alan sagst. Vielleicht hat er für den deutschen Kontext den 'falschen' Schwerpunkt gewählt. Was heißt falsch, aber er hat davon geredet, wovon sowieso schon viel geredet wird und vor exzessiven EC-Diskussionen ein wenig gewarnt, nur sind diese in Deutschland ja bislang kaum geschehen - für ihn aber selbstverständlicher (und ich denke in einigen Punkten) nichthintergehbarer Hintergrund.
@Mike: Ja, sind supergut zurückgekommen - mit Zwischenstopp bei meiner lieben Omi und Kurzaufenthalt in Münsters bester Eisdiele.
Posted by: TobiK | May 10, 2006 at 10:44
Hi Tobi,
cooler Rückblick. Wie immer bei Deinen posts hinter die Kulissen blickend, tiefer schürfend, treffend analysierend.
Ich bin voll mit Dir wenn Du die einseitige Fokusierung auf das Organische bemängelst. In diesen Gedanken steckt viel wertvolles drin, wir sollten aber nicht gleich alles was nach Struktur und Programm riecht über Bord werfen. Alan meinte dazu übrigens im Gespräch dass dies der Punkt im Buch ist, der am meisten kritisiert und missverstanden wird.
Ich habe beim Kongress (scheinbar anders als Du?) allerdings nicht den Eindruck gewonnen, Alan wäre der Verfechter der Organic Church!?
Außerdem stellt sich beim Lesen Deines posts die Frage: Lassen sich die "Logik des Kontexts" und die "Logik der Nachfolge" so scharf trennen und gegenüberstellen, wie Du es tust?
Ich bezweifle das. Wir müssen eben die Logik der Nachfolge mit der Logik des Kontextes zusammenbringen, ja verschmelzen. Nicht?
Posted by: Account Deleted | May 10, 2006 at 13:11
amen!
Posted by: Marlin | May 10, 2006 at 15:54
@Stefan: Mit Logik des Kontext meinte ich sowas wie, dass man in bestimmten Kontexten gewöhnlicherweise nach der Logik des Kontext handelt. Also im Supermarkt begegne ich gewöhnlicherweise der Kassiererin nicht als Mensch, sondern als Kunde. In der Disco zielt aus der Logik des Kontext heraus mein Verhalten nicht darauf den Menschen dort zu dienen und/oder Ihnen von der Geschichte zu erzählen in der wir uns befinden, sondern auf Spaß, Tanz und Balzverhalten. Oft (nicht immer und nicht notwendig) stehen diese Logiken des Kontext in Gegensatz zur Logik der Nachfolge. Deswegen würde ich auch nicht von verschmelzen reden. Was wir also bräuchten wäre etwas, was uns hilft, immer wieder den 'neuen Menschen' anzuziehen...
@Marlin: Ernst oder ironisch gemeint?
Posted by: TobiK | May 10, 2006 at 19:26
Menschenskind, da dachte ich, diese ganze Kontextgeschichte, damit könntest Du ja das meinen, was ich glaube, dass Du meinst. Und dann lese ich in dem Kommentar, dass Du wirklich das meinst, was ich glaube, das Du meinst. Und das finde ich äußerst gut und treffend. Und die Antwort ist: "Tritt aus ängstlichem Zögern heraus in den Sturm des Geschehens
nur von Gottes Gebot und deinem Glauben getragen, und die Freiheit wird deinen Geist jauchzend umfangen." (D.Bonnh.)
Hier finde ich wichtig, zu verstehen, was mich jetzt in diesem Moment "trägt", welche Rolle, welcher Kontext, was auch immer. Und dann ist vielleicht der Trick, sich nicht durch die Gegend schlören zu lassen von irgendwelchen Regeln und Systemen, sondern "nur von Gottes Gebot und deinem Glauben getragen" die Welt nicht so hinnehmen sondern gestalten, Menschen nicht benutzen, sondern ansprechen, auch wenn sie das irritiert und mich auch und (verzeih die langen Sätze, die Krankheit muss ich mir bei Frau Shalev eingefangen haben) dann wird das Leben wirksam, das Gott verteilt hat.
Posted by: da-o-ben | May 18, 2006 at 18:52
Also, in der Linguistik würde man Deine Logik des Kontextes ein Script nennen, ein "mentales Drehbuch", in dem dann z.B. für den Diskobesuch standardisierte Rollenkonzepte für Türsteher, Barfrau, Garderobenmann, DJ, Dich als Besucher/Tänzer/Aufreißer existieren. Inwiefern man von Scripten, was die Nachfolge angeht, sprechen kann, weiß ich nicht. Ich vermute, dass das eine andere Ebene ist. Hm, "Logik der Nachfolge"…? Ich weiß nicht, was ich mir darunter vorstellen soll. Aber natürlich habe ich auch nie ein Logikseminar belegt, ich hab mir ja nicht mal eins eingetragen…
Posted by: Mareike | May 18, 2006 at 23:36
Danke für die offene Reflektion. Wenn "das entstehende Erneuerte" etwas besser machen kann, dann gesunde Selbstkritik üben.
Wahrscheinlich könnte man deinem Post Ähnliches ankreiden - was kein Drama ist, das Konzept von "erst hinterfragen, wenn man eine besser Idee liefern kann" widerspricht sich ja selbst.
Ich hoffe aber, in irgendwelchen (vielleicht von deinem Beitrag inspirierten) Blogs mehr zur Praxis inspiriert zu werden.
Posted by: Sam | May 19, 2006 at 09:29
@Ben: Ja, geiler Kommentar. Liest Du nun also die Zeruya?
@Mareike: Also Kontext ist wohl etwas zu schwammig ausgedrückt. Ich meine einfach in bestimmten Kontexten gibt es ganz normale, selbstverständliche Verhaltensweisen und Handlungen, die wir gewohnterweise in einem Kontext tun (dies nannte ich Logik des Kontext) - diese können durch Kultur, Scripte, Rollenkonzepte, die Systemlogik oder was auch immer bestimmt sein. Meine These mit der Logik der Nachfolge war jetzt, dass - nicht immer und nicht notwendig, aber doch häufig - die Logik der Nachfolge (die m.E. am deutlichsten wohl in der Bergpredigt vorkommt, bzw. sich dort ausdrückt) der Logik des Kontext entgegensteht; wir dies aber vielleicht nicht einmal merken, weil es für uns in diesem Kontext völlig selbstverständlich ist so zu handeln. Puh, kompliziert. Danke Dir für Kommentar und Idee mit dem Script.
@Sam: Danke, für Kommentar. Ganz recht, leider habe ich an den entscheidenden Stellen noch nicht genug kapiert, um es konkreter machen zu können.
Posted by: TobiK | May 19, 2006 at 14:25
Tobi: ernst gemeint! Das Problem dieser ganzen Diskussionen ist das Fehlen von Verben und die Vielzahl der Wörter mit drei Silben oder mehr. Ich muss sagen, dass es mich echt überrascht: es gibt da so viele Leute, die echt viel und gut nachdenken und wirklich gute Motive haben, aber letztlich scheint mir, dass der Revolutions-Anspruch im Hals stecken bleibt. Da finde ich hast du deinen Finger auf ein paar gute Punkte gelegt.
Posted by: marlin | May 24, 2006 at 07:52
Werd fortan nicht mehr reden, sondern nur noch tun. Auch denken will ich fortan mir versagen und wenn ich rede, dann soll es nimmer in mehr als drei Silben geschehen. Wird so die Welt zu retten sein, würd ich auch fortan ständig Revoluzzer schrein.
Marlin: Ernsthaft! Verzeih mir meinen schrecklichen Stil, aber irgendwer erzählte mir ich solle authentisch sein. Und wenn ich es dann bin, bekomme ich fast immer auf die Kappe. Aber das ist doch nicht wirklich das Problem oder? Ich würde ja eine Revolution wollen, aber können kann ich nicht. Fürchte ich glaube auch nicht an Revolutionen, diese haben immer was von modernen Machbarkeitswahn und führen zu unerwünschten und unerwarteten Nebenfolgen. Was wir brauchen ist eine Evolution. Kleine Weichenstellungen mit großen Auswirkungen. Da kann man schon mal drüber nachdenken, welche Weichen vielleicht gestellt werden wollen. Aber stimmt ja, viel wichtiger sind die kleinen und banalen Dinge im Alltag. Den Nächsten lieben, immer und immer wieder. Aber davon rede und schreibe ich doch nicht, dass versuche ich einfach zu tun, wenn auch leider häufig mit mangelnhaften Erfolg...
Posted by: TobiK | May 24, 2006 at 22:41