Heute ist der 150. Todestag von Sören Kierkegaard - nicht nur einer der bekanntesten Philosophen aller Zeiten, sondern auch wahrlich ein hingegebener Dilletant! Statt nach Worten zu ringen, die versuchen ihn zu beschreiben, will ich lieber ihn selbst zu Wort kommen lassen. Kierkegaard hatte sehr viele Seiten, eine davon war Gott leidenschaftlich zu lieben, gleichzeitig jedoch in keinster Weise mit dem Christentum seiner Zeit klar zu kommen. So brechen in seinen Schriften hin und wieder manch garstige Spitzen durch, die vor allem all diejenigen von uns, die sich Christen schimpfen, zur Selbstkritik verführen sollten:
„Ein unmittelbar Begeisterter brüllt früh und spät in die Welt hinaus, immerzu auf hohem Kothurne plagt er die Leute mit seiner Begeisterung, er merkt gar nicht, dass er sie nicht begeistert, es sei denn, dass sie ihn verprügeln“
„[...]und der Erweckte Gott naseweis engagiert, überall mit dabei zu sein, wo er ist, so dass man, wenn man nur den Erweckten sieht, dessen sicher sein kann, dass Gott mit dabei ist, da der Erweckte ihn in der Tasche hat.“
„Jeder Mensch ist herrlich angelegt, aber was so viele ruiniert, ist unter anderem auch diese unselige Geschwätzigkeit zwischen Mann und Mann in Bezug auf das, was gelitten werden, aber auch in der Stille ausreifen soll, dieses Beichten vor Menschen anstatt vor Gott, diese herzliche Mitteilung dessen an diesen und jenen, was ein Geheimnis und vor Gott im Verborgenen sein soll, dieses ungeduldige Sehnen nach vorläufigem Trost.“
„[...]die Hauptsache ist aber doch, dass der Einzelne mit Lust und Feuer von der Kirche nach Hause geht, um den Kampf in der Wohnstube auszukämpfen. Soll die Wirksamkeit des Pfarrers in der Kirche nur ein Versuch sein, einmal in der Woche das Frachtschiff der Gemeinde näher an die Ewigkeit heranzubugsieren: dann wird aus dem Ganzen nichts, denn ein Menschenleben kann nicht wie ein Frachtschiff bis zum nächsten Sonntag auf derselben Stelle liegen bleiben. Darum muss die Schwierigkeit gerade in der Kirche dargestellt werden, und es ist besser missmutig aus der Kirche zu gehen und die Aufgabe leichter zu finden, als man geglaubt hat, als übermütig aus der Kirche zu gehen und in der Wohnstube missmutig zu werden. […] Da es nämlich hauptsächlich die Aufgabe des Redners wie jedes anderen ist, existierend auszudrücken, was er verkündet, und nicht einmal wöchentlich die Gemeinde zu elektrisieren, sie galvanisch zum Zappeln zu bringen, wird er vorsichtig sein, damit er nicht selbst die widerwärtige Erfahrung macht, dass was im hochtrabenden Vortrag so herrlich aussah, sich zu täglichem Gebrauch so ganz anders zeigt. Aber im Preis nachlassen, abschlagen, feilschen, darf er um nichts in der Welt; selbst wo er am allerweitesten von der absoluten Forderung der Religiosität entfernt zu sein scheint, muss diese zur Stelle sein, den Preis und das Urteil bestimmen; selbst wo er sich in die kümmerlichsten Brüche des alltäglichsten Lebens einlässt, muss dieser absolute Generalnenner, wenn auch verborgen, dabei sein, jede Sekunde bereit, die absolute Forderung zu stellen.“
Ich lasse all dies mal unkommentiert, auch wenn es mir schwer fällt. Anläßlich des 150. Todestages sind heute außerdem folgende lesenswerte Artikel in der NZZ, der FR, der Welt, dem Sonntagsblatt, der Tagespost und dem Rheinischen Merkur erschienen. Eine hervorragende deutsche Seite - mit vielen tollen Zitaten - über Kierkegaard gibt es hier.
Bleibt mir nur noch mit Kierkegaard zu wünschen:
„Mein Leben ist leider allzu konjunktivisch; Gott gebe, ich hätte ein wenig indikativische Kraft.“
Vor allem das letzte Zitat macht zugleich glücklich und traurig: „Mein Leben ist leider allzu konjunktivisch; Gott gebe, ich hätte ein wenig indikativische Kraft.“ Glücklich macht es, weil es so kurz und knapp soviel Zeit und Gefühl und Leben darstellt; und traurig, weil es so wahr ist und die Kürze und Knappheit und das Gefühl recht haben: Zu viel könnte, zu wenig ist.
Posted by: Ben | Nov 12, 2005 at 01:06
Und eines darf nicht fehlen an diesem Tag:
"Herr gib uns blöde Augen
für Sachen die nichts taugen
und Augen voller Klarheit
in alle deine Wahrheit"
Der Sören K.
Posted by: Immernoch Ben | Nov 12, 2005 at 01:08